Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
ist mir egal. Er muss auf die Beine.«
    Grigorij schrie vor Schmerzen, als Michail und Navot ihn hochzogen.
    »Ich glaube nicht, dass ich gehen kann«, murmelte der Russe undeutlich.
    »Das brauchen Sie auch nicht.«
    Navot warf ihn sich wie einen Sack über die Schulter und nickte Michail zu.
    »Also los!«
     
    Die Türen des schwarzen Range Rovers standen offen. Jaakov wartete auf einer Seite, Oded auf der anderen. Wenige Meter von ihnen entfernt lagen zwei tote Russen im Schnee: mit weit ausgebreiteten Armen, die Köpfe von einem Heiligenschein aus Blut umgeben. Gabriel führte Chiara an den Leichen vorbei und half ihr auf den Rücksitz. Als er sich umdrehte, sah er Navot mit Grigorij über der Schulter aus der Datscha kommen.
    »Setz ihn hinten zu Chiara und dann seht zu, dass ihr verschwindet.«
    Navot ließ Grigorij vorsichtig auf den Rücksitz gleiten, während Gabriel vorn rechts einstieg. Michail angelte den Zündschlüssel aus seinem Parka und ließ den Motor an. Als der Range Rover vorwärtsschoss, blickte sich Gabriel ein letztes Mal um.
    Drei Männer, die in den Wald rannten.
    Er setzte ein neues Magazin an seine Mini-Uzi an und sah auf seine Armbanduhr: 9:11:07.
    »Schneller, Michail. Fahr schneller!«
     
    Sie waren mit knapp hundert Stundenkilometern auf der leeren Straße unterwegs: zwei schwarze Range Rover, beide mit ehemaligen Soldaten russischer Eliteeinheiten besetzt, die jetzt dem privaten Sicherheitsdienst Iwan Charkows angehörten. Auf dem Beifahrersitz des vorderen Wagens klingelte ein Handy. Der Anrufer war Oleg Rudenko, der aus Charkows Hubschrauber telefonierte.
    »Wo seid ihr?«
    »Fast da.«
    »Wie nahe?«
    Sehr nahe …
     
    Aus Gründen, die Gabriel bald ersichtlich würden, verlief der Weg von der Datscha zur Straße nicht in gerader Linie. Von einem US-Spionagesatelliten aus gesehen glich er eher einem umgekehrten »S«. Vom Beifahrersitz eines rasenden Range Rovers aus erschien der Weg jetzt im Spätwinter wie ein Meer aus Weiß. Weißer Schnee. Weiße Birken. Und gleich nach der zweiten Kurve ein weißes Scheinwerferpaar, das alarmierend schnell heranschoss.
    Michail trat instinktiv auf die Bremse – nachträglich gesehen ein Fehler, weil so das andere Fahrzeug beim Aufprall etwas im Vorteil war. Die Airbags bewahrten sie vor Verletzungen, aber sie ließen Gabriel und Michail zu benommen zurück, um sich wehren zu können, als der Rover von mehreren Männern gestürmt wurde. Gabriel spürte noch, wie der Griff einer russischen Pistole an seine Schläfe knallte. Dann sah er nur noch Weiß. Weißen Schnee. Weiße Birken. Chiara, die ganz in Weiß von ihm wegschwebte.

66 G ROSVENOR S QUARE , L ONDON
    Für Schamron war das erste Alarmsignal die plötzliche Stille am King Saul Boulevard. Drei Mal verlangte er eine Erklärung. Drei Mal bekam er keine Antwort.
    Zuletzt eine Stimme. »Wir haben sie verloren.«
    »Was soll das heißen – verloren?«
    Sie hatten einen ziemlich lauten Knall gehört. Wie von einem Zusammenstoß. Von einem Verkehrsunfall. Dann Stimmen. Russische Stimmen.
    »Sind Sie sicher, dass es russische Stimmen waren?«
    »Wir kontrollieren die Aufzeichnung gerade noch mal. Aber es waren welche.«
    »Hatten sie Charkows Grundstück schon verlassen, als es passiert ist?«
    »Eher nicht.«
    »Was ist mit ihren Funkgeräten?«
    »Ausgeschaltet.«
    »Wo ist das restliche Team?«
    »Es setzt sich planmäßig ab.« Eine Pause. »Außer Sie wollen es zurückschicken.«
    Schamron zögerte. Natürlich wollte er. Aber das durfte er nicht. Lieber drei verlieren als sechs. Die Zahlen …
    »Sagen Sie Uzi, dass er weitermarschieren soll. Und bloß nicht den Helden spielen. Sie sollen machen, dass sie dort wegkommen!«
    »Verstanden.«
    »Bleiben Sie am Apparat. Melden Sie mir sofort, wenn Sie etwas hören.«
    Der Alte schloss einige Sekunden lang die Augen, dann sah er zu Adrian Carter und Graham Seymour hinüber. Die beiden Männer hatten nur den von Schamron bestrittenen Teil des Telefongesprächs mitbekommen. Aber das genügte.
    »Wann ist Charkow in Konakowo abgeflogen?«, fragte Schamron.
    »Die drei Maschinen waren um zehn nach neun in der Luft.«
    »Flugzeit von Konakowo zur Datscha?«
    »Eine Stunde. Bei schlechtem Wetter vielleicht etwas länger.«
    Schamron sah auf die Wanduhr: 9:14:56.
    Voraussichtlich gegen 10.10 Uhr würde Iwan Charkow in der Wladimirskaja Oblast am Boden sein. Vielleicht hatte er seinen Männern schon befohlen, Gabriel und die anderen zu erschießen.

Weitere Kostenlose Bücher