Der Oligarch
Nagel ihres kleinen Fingers und schnippte es in den Mülleimer.
»Was kochst du überhaupt?«
»Eine Frittata mit Kartoffeln und Zwiebeln und Spaghetti alla carbonara di zucchine.«
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den drei Töpfen und Pfannen zu, die auf dem altmodischen Küchenherd brodelten. Dank ihres Schönheitssinns, den sie als Venezianerin von Natur aus besaß, gestaltete sie alles künstlerisch, insbesondere die Mahlzeiten. Ihr Essen wirkte wie die von ihr gemachten Betten oft zu perfekt, als dass man es hätte zerstören wollen. Gabriel fragte sich oft, weshalb sie sich zu einem mit Narben bedeckten, gebrochenen Relikt wie ihm hingezogen fühlte. Vielleicht betrachtete sie ihn als ein verwüstetes Zimmer, in das Ordnung gebracht werden musste.
»Anna hätte uns etwas mehr als Eier und Käse dalassen können.«
»Glaubst du, dass sie dich umzubringen versucht, indem sie deine Adern mit Cholesterin verstopft?«
»Das würde ich ihr zutrauen. Sie verabscheut mich.«
»Versuch mal, nett zu ihr zu sein.«
Eine Haarsträhne hatte sich aus Chiaras Nackenspange gelöst und klebte nun an ihrer Wange. Sie steckte sie hinters Ohr zurück und bedachte Gabriel mit einem koboldhaften Lächeln.
»Du hast die Wahl, denke ich«, sagte sie. »Was die Zukunft betrifft. Was dein Leben betrifft.«
»Ich bin nicht besonders gut darin, Entscheidungen in Bezug auf mein Leben zu treffen.«
»Ja, ich weiß. Ich erinnere mich an einen gewissen Nachmittag in Jerusalem, der noch gar nicht lange zurückliegt. Ich hatte keine Lust mehr, auf einen Heiratsantrag von dir zu warten, deshalb brachte ich endlich den Mut auf, dich zu verlassen. Als ich vor deinem Haus ins Taxi stieg, habe ich darauf gewartet, dass du mir nachlaufen und mich bitten würdest, doch zu bleiben. Aber das hast du nicht getan. Vermutlich warst du erleichtert, dass ich ausgezogen bin. Das war einfacher für dich.«
»Ich war ein Dummkopf, Chiara, aber das ist alles längst Geschichte.«
Sie spießte ein Stück Kartoffel in der Pfanne auf, kostete es und gab eine Prise Salz dazu. »Ich wusste natürlich, dass das an Leah lag. Du warst noch mit ihr verheiratet.« Chiara machte eine Pause, dann fügte sie leise hinzu: »Und du hast sie noch geliebt.«
»Was hat das alles mit der gegenwärtigen Situation zu tun?«
»Du bist ein Mann, der zu seinem Wort steht, Gabriel. Du hast Leah Treue geschworen und konntest diesen Eid nicht brechen, obwohl sie nicht mehr in der Gegenwart gelebt hat. Außerdem hast du einen Diensteid abgelegt. Und auch den kannst du anscheinend nicht brechen.«
»Ich habe ihnen über die Hälfte meines Lebens geopfert.«
»Was hast du also vor? Ihnen auch noch den Rest zu opfern? Willst du wie Schamron enden? Er ist achtzig und kann nachts nicht schlafen, weil er sich Sorgen um die Sicherheit Israels macht. Er sitzt im Finstern auf seiner Terrasse über dem See Genezareth, starrt nach Osten und beobachtet seine Feinde.«
»Ohne Männer wie Schamron gäbe es gar kein Israel. Er hat den Staat damals mit aufgebaut. Und er will nicht, dass sein Lebenswerk zerstört wird.«
»Es gibt massenhaft qualifizierte Männer und Frauen, die für Israels Sicherheit sorgen können.«
»Versuch mal, das Schamron zu erklären.«
»Glaub mir, Gabriel, das habe ich getan.«
»Was schlägst du also vor?«
»Dass du sie verlässt – diesmal endgültig. Restauriere Gemälde. Lebe dein Leben.«
»Wo?«
Sie hob die Arme, um anzudeuten, ihre jetzige Umgebung genüge doch allen Anforderungen.
»Wir genießen hier nur Wohnrecht auf Zeit. Irgendwann wird der Conte seine Villa zurückhaben wollen.«
»Wir finden eine andere. Oder wir ziehen nach Rom, damit du dem Vatikan näher bist. Die Italiener lassen dich wohnen, wo du willst, so lange du den Pass und die neue Identität, mit der sie dich aus Dankbarkeit ausgestattet haben, weil du dem Papst das Leben gerettet hast, nicht missbrauchst.«
»Uzi sagt, dass ich nie den Mut haben werde, endgültig auszuscheiden. Er sagt, dass der Dienst die einzige Familie ist, die ich habe.«
»Gründe eine neue Familie, Gabriel.« Chiara machte eine Pause. »Mit mir.«
Sie kostete ein Stück Zucchini, dann drehte sie das Gas ab. Als sie sich umwandte, sah sie, dass Gabriel sie nachdenklich betrachtete, wobei er mit einer Hand sein Kinn umfasste.
»Wieso siehst du mich so an?«
»Wie denn, Chiara?«
»Wie eines deiner Gemälde.«
»Ich frage mich nur, weshalb du dieses Buch über Kindererziehung in unserem
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