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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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zwingen.«
    »Und?«
    »Ich habe auf der Bettdecke geschlafen.«
    »Kein Wunder, dass Schamron dich angeworben hat.«
    »Tatsächlich fanden die Psychologen des Diensts das aufschlussreich. Sie haben es als Beweis für das Streben nach Unabhängigkeit und die Fähigkeit, Probleme zu lösen, gesehen.«
    »Deshalb weigerst du dich noch heute, Betten zu machen? Weil du deine Unabhängigkeit demonstrieren willst?«
    Gabriel antwortete mit einem Kuss. Ihre Lippen waren sehr warm.
    »Wie war Venedig?«
    »Fast erträglich. Bei kaltem, regnerischem Wetter kann man beinahe glauben, Venedig sei noch eine richtige Stadt. Der Markusplatz ist natürlich wie immer von Touristen überlaufen. Sie trinken ihren lachhaft teuren Cappuccino und lassen sich mit diesen grässlichen Tauben fotografieren. Was für ein Urlaub ist das bloß, Gabriel?«
    »Ich dachte, der Oberbürgermeister hätte den Verkauf von Vogelfutter verboten?«
    »Die Touristen füttern sie trotzdem. Wenn sie die Tauben so lieben, könnten sie sie doch als Souvenir mit nach Hause nehmen. Weißt du, wie viele Touristen dieses Jahr in Venedig waren?«
    »Zwanzig Millionen.«
    »Richtig. Wenn jeder nur einen dieser unappetitlichen Vögel mitnähme, wäre das Problem in ein paar Monaten gelöst.«
    Es war seltsam, Chiara so kritisch über Venedig reden zu hören. Immerhin lag die Zeit, in der sie sich nicht hätte vorstellen können, außerhalb der engen Gassen und malerischen Kanäle ihrer Heimatstadt zu leben, noch nicht allzu lange zurück. Als Tochter des Oberrabbiners dieser Stadt hatte sie ihre Kindheit in der abgeschiedenen Welt des alten Gettos verbracht, das sie nur verlassen hatte, um an der Universität von Padua Geschichte zu studieren. Sie war als Master of Arts zurückgekehrt und hatte in dem kleinen jüdischen Museum auf dem Campo del Ghetto Nuovo gearbeitet; dort wäre sie wahrscheinlich ewig geblieben, wenn sie nicht auf einer Israelreise einem Anwerber des Diensts aufgefallen wäre. Der Anwerber sprach sie in einem Café in Tel Aviv an und fragte Chiara, ob sie nicht daran interessiert sei, mehr für das jüdische Volk zu tun, als in einem sterbenden Getto in einem Museum zu arbeiten. Chiara bejahte und verschwand in dem geheimen Ausbildungsprogramm des Diensts.
    Ein Jahr später nahm sie ihr früheres Leben wieder auf – nun als verdeckt arbeitende Agentin des israelischen Geheimdiensts. Zu ihren ersten Aufträgen gehörte es, einen eigensinnigen Auftragskiller des Diensts namens Gabriel Allon, der nach Venedig gekommen war, um Bellinis Altargemälde in der Kirche San Zaccaria zu restaurieren, unauffällig zu beschützen. Wenig später offenbarte sie sich ihm in Rom – nach einer Schießerei, die die italienische Polizei auf den Plan rief. Gabriel, der allein mit Chiara in einer sicheren Wohnung festsaß, verzehrte sich nach ihr. Aber er wartete, bis der Fall gelöst war und sie wieder in Venedig waren. Dort liebten sie sich zum ersten Mal in einem Kanalhaus in Cannaregio – auf einem frisch bezogenen Bett. Gabriel fühlte sich dabei, als liebe er ein Wesen, gemalt von Veroneses Hand.
    Jetzt runzelte dieses Wesen jedoch die Stirn, als Gabriel seine Lederjacke auszog und über eine Sessellehne warf. Chiara hängte sie umständlich in den Kleiderschrank, zog dann den Reißverschluss ihrer Reisetasche auf und fing an auszupacken. Alle Sachen waren frisch gewaschen und sorgfältig zusammengelegt.
    »Meine Mutter hat darauf bestanden, mir alles frisch gewaschen mitzugeben.«
    »Sie denkt wohl, dass wir keine Waschmaschine haben?«
    »Sie ist Venezianerin, Gabriel. Sie findet es nicht richtig, dass ich auf einem Bauernhof lebe. Weiden und Vieh machen sie nervös.« Chiara legte die Sachen in ihre Kommodenschubladen. »Also, wieso warst du nicht da, als ich heimgekommen bin?«
    »Ich hatte eine Besprechung.«
    »Eine Besprechung? In Amelia? Mit wem?«
    Gabriel sagte es ihr.
    »Ich dachte, ihr beiden sprecht nicht mehr miteinander.«
    »Wir haben uns darauf geeinigt, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
    »Wie wundervoll«, sagte Chiara kalt. »Wurde mein Name auch erwähnt?«
    »Uzi ist sauer, weil du ihm deine Venedigreise nicht gemeldet hast.«
    »Die war privat.«
    »Du weißt, dass nichts mehr privat ist, wenn man für den Dienst arbeitet.«
    »Warum ergreifst du Partei für ihn?«
    »Ich ergreife für niemanden Partei. Ich habe nur eine einfache Tatsache festgestellt.«
    »Wann hast du dich jemals um Dienstvorschriften geschert? Du machst, was du

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