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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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ihm am Randstein. Die Tür ging auf, Grigorij stieg hinten ein, und die Limousine rauschte aus dem Blickfeld der Kamera. Fünf Sekunden später durchquerte ein Mann, der seinen zusammengerollten Schirm als Stock benutzte, den Aufnahmebereich. Dann kam aus der anderen Richtung eine junge Frau ins Bild. Sie trug einen kurzen Ledermantel, hatte trotz des Regens weder Schirm noch Hut.

10 M AIDA V ALE , L ONDON
    Das Bild löste sich in einem grauweißen Schneesturm auf. Graham Seymour drückte die STOP-Taste.
    »Wie Sie sehen, ist Grigorij bereitwillig eingestiegen. Ohne zu zögern. Ohne erschrocken oder ängstlich zu wirken.«
    »Er ist ein Profi, Graham. Er wurde dazu ausgebildet, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen, selbst wenn er Todespanik verspürt.«
    »Er ist eindeutig ein Profi. Er hat uns alle hinters Licht geführt. Er hat es sogar geschafft, Sie zu täuschen, Gabriel. Und wie ich gehört habe, haben Sie ein gutes Auge für Fälschungen.«
    Gabriel ging nicht auf diesen Kommentar ein. »Haben Sie die Route des Mercedes rekonstruieren können?«
    »Er ist erst links auf die Edgware Road, dann rechts auf die St. John’s Wood Road abgebogen. Sein Ziel war eine Tiefgarage in Primrose Hill, in der er siebenundfünfzig Minuten lang geblieben ist. Als er wieder herauskam, waren Beifahrer- und Rücksitz anscheinend leer.«
    »Keine Kameras in der Tiefgarage?«
    Seymour schüttelte den Kopf.
    »Sind vor dem Mercedes irgendwelche anderen Wagen rausgekommen?«
    »Vier Limousinen und ein einzelner Lieferwagen, ein Ford Transit. Die Limousinen sind alle ergebnislos überprüft worden. Der Lieferwagen war mit dem Logo einer Teppichreinigung in Battersea beschriftet. Nach Aussage des Inhabers hatte die Firma an diesem Abend keinen Auftrag in der dortigen Gegend. Außerdem stimmt das Kennzeichen des Fords mit keinem der von der Firma geleasten Fahrzeuge überein.«
    »Dann ist Grigorij also im Laderaum des Fords abtransportiert worden?«
    »Das ist unsere Arbeitshypothese. Von der Tiefgarage aus ist er nach Nordosten, nach Brentwood, einem Vorort an der M25, weitergefahren. Dort hat er den Bereich der CCTV-Kameras verlassen und ist außer Sichtweite gelangt.«
    »Und der Mercedes?«
    »Südosten. Wir haben ihn bei Shooter’s Hill aus den Augen verloren. Am nächsten Tag ist im Gebiet der Themsemündung östlich von Gravesend ein ausgebrannter Wagen entdeckt worden. Der oder die Brandstifter haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Fahrgestellnummer zu entfernen. Sie passt zu einem Mercedes, den vor zwei Wochen jemand mit einem russischen Namen und einer Hoteladresse gekauft hat. Natürlich sind alle Versuche, den Käufer aufzuspüren, ergebnislos geblieben.«
    »Die Tür dieses Wagens ist eindeutig von innen geöffnet worden. Ich glaube, dass hinten wenigstens eine Person gesessen hat.«
    »Tatsächlich waren es zwei.«
    Seymour legte Gabriel eine 18 mal 24 Zentimeter große Ausschnittsvergrößerung hin. Trotz starker Körnung und harter Schlagschatten waren auf dem Rücksitz des Mercedes zwei Personen zu erkennen. Gabriel interessierte sich vor allem für die auf der Fahrerseite. Dort saß eine Frau.
    »Sie haben wohl kein Bild von den beiden, bevor sie eingestiegen sind?«
    »Leider nicht. Die Russen haben äußerst clever eine Lücke in der Kameraüberwachung ein paar Meilen vom Heathrow Airport entfernt genutzt. Wir haben niemanden ein- oder aussteigen sehen. Sie haben sich scheinbar in Luft aufgelöst – genau wie Grigorij.«
    Gabriel starrte die Vergrößerung einen Augenblick länger an. »Das ist eine Menge Aufwand für etwas, das sich viel einfacher hätte durchführen lassen. Nehmen wir mal an, Gregory hätte erneut überlaufen wollen – wieso hat man ihm nicht einfach einen Pass und ein Flugticket zukommen lassen und sein Aussehen etwas verändert? Er hätte London morgens verlassen und abends bereits bei Borschtsch und ›Hühnchen Kiew‹ zu Hause sitzen können.«
    Seymour hatte eine Antwort parat. »Die Russen haben bestimmt angenommen, dass wir Grigorij ständig überwachen. Aus ihrer Sicht mussten sie ein Szenario schaffen, das für die CCTV-Kameras völlig harmlos wirken würde.« Er deutete mit seiner langen blassen Hand auf den jetzt dunklen Bildschirm. »Sie haben es selbst gesehen, Gabriel. Er hat sich mehrmals davon überzeugt, dass er nicht beschattet wurde. Sobald er wusste, dass er clean war, hat er irgendein Signal gegeben. Daraufhin haben seine alten Kameraden ihn

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