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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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aufgelesen.«
    »Nach Moskauer Regeln?«
    »Genau.«
    »Ich nehme an, dass Sie Grigorijs Route nach Kreidezeichen, Bandmarkierungen oder anderen Anzeichen für unpersönliche Kommunikation abgesucht haben.«
    »Das haben wir.«
    »Und?«
    »Nichts. Aber als alter Profi wissen Sie, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, ein Signal zu übermitteln. Hut – kein Hut. Zigarette – keine Zigarette. Armbanduhr am linken Handgelenk – Armbanduhr am rechten Handgelenk.«
    »Grigorij ist Rechtshänder. Und er hat seine Armbanduhr wie immer am linken Handgelenk getragen. Außerdem war es eine andere Uhr als die, die er letzten Herbst in Russland getragen hat.«
    »Sie haben wirklich scharfe Augen.«
    »Stimmt. Und wenn ich mir diese CCTV-Bilder anschaue, sehe ich etwas anderes. Ich sehe einen Mann, der vor etwas Angst hat und sich verdammt anstrengt, sich nichts anmerken zu lassen. Irgendetwas hat Grigorij dazu gebracht, plötzlich stehen zu bleiben. Und irgendetwas hat ihn dazu gebracht, in den Mercedes zu steigen. Das war kein nochmaliges Überlaufen, Graham. Das war eine Entführung. Die Russen haben ihn vor Ihrer Nase einkassiert.«
    »Wir im Thames House sehen das anders. Das tun auch unsere Kollegen am anderen Ufer. Downing Street und Außenministerium tendieren dazu, unser Ermittlungsergebnis zu akzeptieren. Der Premierminister hat keine Lust auf eine weitere riskante Konfrontation mit den Russen. Nicht nach der Affäre Litwinenko. Und vor allem nicht im Vorfeld des nächsten G8-Gipfels.«
    Angesichts der weltweiten Finanzkrise hatten sich die Regierungschefs der acht größten Industriestaaten soeben darauf geeinigt, bei einem Treffen im Februar ihre Steuer- und Geldmarktpolitik zu koordinieren, um der Weltwirtschaft neue Impulse zu geben. Zur großen Verblüffung der vielen Bürokraten und Journalisten, die ebenfalls daran teilnehmen würden, würde das Gipfeltreffen in Moskau stattfinden. Gabriel war der bevorstehende G8-Gipfel egal. Er dachte an Alexander Litwinenko, den ehemaligen FSB-Agenten, der mit einer Dosis hochradioaktiven Poloniums 210 vergiftet worden war.
    »Ihr Verhalten nach dem Mord an Litwinenko hat die Russen vermutlich in ihrer Auffassung bestärkt, sich ein Unternehmen dieser Art leisten zu können. Schließlich war ihr Anschlag mitten in London praktisch ein Akt des nuklearen Terrorismus, auf den Sie mit einem diplomatischen Klaps aufs Handgelenk reagiert haben.«
    Seymour legte nachdenklich einen Finger auf die Lippen. »Das ist eine interessante Theorie. Aber ich glaube wirklich nicht, dass sich unsere Reaktion auf die Ermordung Litwinenkos, so schwach sie Ihrer Ansicht nach auch ausgefallen sein mag, auf Grigorijs Fall ausgewirkt hat.«
    Gabriel wusste, dass jede weitere Diskussion zwecklos gewesen wäre. Graham Seymour war ein zuverlässiges Pendant und gelegentlich ein Verbündeter, aber seine Loyalität gehörte vor allem seinem Dienst und seinem Land. Das Gleiche galt für Gabriel. Das waren die Spielregeln.
    »Muss ich Sie daran erinnern, dass Grigorij den Amerikanern und Ihnen geholfen hat, Charkows Flugabwehrraketen aufzuspüren? Ohne ihn wären vielleicht an einem einzigen Tag mehrere Verkehrsflugzeuge abgeschossen worden.«
    »Tatsächlich waren alle Informationen, die wir brauchten, in den Unterlagen enthalten, die Elena und Sie aus Charkows Büro gestohlen hatten. In Wirklichkeit musste der Premierminister dazu überredet werden, Grigorij Asyl und einen britischen Pass zu gewähren. London beherbergt schon mehrere prominente russische Dissidenten, darunter eine Handvoll Milliardäre, die sich mit dem dortigen Regime überworfen haben. Er wollte Moskau nicht noch mehr verärgern.«
    »Was hat ihn umgestimmt?«
    »Wir haben ihm begreiflich gemacht, dass der Anstand dies fordere. Schließlich waren die Amerikaner bereit, Elena und die Kinder aufzunehmen. Wir hatten das Gefühl, auch unseren Beitrag leisten zu müssen. Grigorij hat damals versprochen, ein guter Junge zu sein und nicht aufzufallen. Was er auch getan hat …« Seymour machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Zumindest eine Zeit lang.«
    »Bis er als Überläufer und Dissident berühmt geworden ist.«
    Seymour nickte zustimmend.
    »Sie hätten ihn irgendwo auf dem Land in ein Häuschen sperren und den Schlüssel wegwerfen sollen.«
    »Grigorij hat auf London bestanden. Die Russen lieben London.«
    »Also ist aus Ihrer Sicht doch alles ziemlich gut gelaufen. Sie wollten Grigorij nie haben, und jetzt waren die Russen so

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