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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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wechselte den Platz mit ihm.
    »Ich erinnere mich an die Nacht, in der wir gemeinsam geflüchtet sind – zu viert in einem alten Wolga, der über die unsäglichen russischen Straßen geholpert ist. Grigorij und ich haben geraucht wie abgebrochene Schlote. Sie, Gabriel, haben mit einem verbundenen Auge am Fenster gelehnt und uns gebeten, damit aufzuhören. Wir konnten nicht aufhören. Wir waren verängstigt. Aber wir waren auch gespannt auf das vor uns Liegende. Wir hatten so große Hoffnungen, Grigorij und ich. Wir wollten Russland verändern. Elenas Hoffnungen waren bescheidener. Sie wollte nur ihre Kinder wiedersehen.« Sie blies Rauch über eine Schulter, dann sah sie Gabriel an. »Haben Sie sie wiedergesehen?«
    »Elena?« Er schüttelte den Kopf.
    »Mit ihr gesprochen?«
    »Kein Wort.«
    »Überhaupt kein Kontakt?«
    »Sie hat mir einen Brief geschrieben. Ich habe ein Bild für sie gemalt.«
    Gabriel bat sie, die Zigarette auszudrücken. Während Olga die Kippe im Kies unter ihren Füßen verscharrte, beobachtete er eine Gruppe aus vier Touristen, die den Park betraten.
    »Was haben Sie empfunden, als Grigorij als Überläufer und Dissident berühmt wurde?«
    »Ich habe seinen Mut bewundert. Aber ich habe es für töricht gehalten, so im Scheinwerferlicht zu leben. Ich habe ihn gewarnt, damit handele er sich nur Scherereien ein. Aber er hat nicht auf mich gehört. Er stand völlig in Wiktors Bann.«
    »Wiktor?«
    »Wiktor Orlow.«
    Diesen Namen kannte Gabriel natürlich. Wiktor Orlow war einer der großen russischen Oligarchen, jener kleinen Gruppe wagemutiger Kapitalisten, die sich die Filetstücke der alten Sowjetwirtschaft gesichert und dabei Milliarden verdient hatten. Während gewöhnliche Russen ums Überleben kämpften, hatte Orlow mit Stahl und Öl ein ungeheures Vermögen angehäuft. Zuletzt hatte er sich mit dem auf Jelzin folgenden Regime angelegt und war nach Großbritannien geflüchtet, bevor ein Haftbefehl gegen ihn vollstreckt werden konnte. Jetzt gehörte er zu den wortgewaltigsten, wenn auch unzuverlässigsten Kritikern des Regimes. Orlow ließ selten zu, dass seine scharfen Angriffe, die er regelmäßig gegen den russischen Präsidenten und seine Kumpane im Kreml vorbrachte, durch so triviale Dinge wie Fakten gebremst wurden.
    »Haben Sie jemals mit ihm zu tun gehabt?«, fragte Gabriel.
    »Mit Wiktor?« Olga lächelte zurückhaltend. »Ein Mal, vor hundert Jahren in Moskau. Das war kurz nach Jelzins Rücktritt. Die neuen Kremlherren verlangten, Wiktor solle seine Unternehmen ›freiwillig‹ an den Staat zurückverkaufen – natürlich zu Schleuderpreisen. Aus verständlichen Gründen war Wiktor daran nicht interessiert. Darauf fing der Kreml an, von Razzien und Beschlagnahmungen zu reden. Das tut er immer, wenn er etwas haben will. So kommt die Staatsmacht ins Spiel.«
    »Und Orlow dachte, Sie könnten ihm helfen?«
    »Er hat mich zum Mittagessen eingeladen. Er hat gesagt, er habe eine Exklusivstory für mich – über den Mann, dessen Job es ist, dem Präsidenten junge Frauen zuzuführen. Sehr junge Frauen, Gabriel. Als ich ihm erklärte, solche Storys seien mir zu schmuddelig, wurde er richtig wütend. Einen Monat später hat er sich ins Ausland abgesetzt. Offiziell verlangen die Russen seine Auslieferung wegen Betrugs und Steuerhinterziehung.«
    »Und inoffiziell?«
    »Der Kreml will, dass Wiktor seinen Mehrheitsanteil an Rusoil, dem gigantischen Öl- und Gasproduzenten in Sibirien, aufgibt. Der ist viele Milliarden Dollar wert.«
    »Was wollte Orlow von Grigorij?«
    »Wiktors Motive für seinen Kampf gegen den Kreml sind durchsichtig und keineswegs edel. Grigorij hat ihm etwas verschafft, was er noch nie zuvor besessen hatte.«
    »Ehrbarkeit.«
    »Richtig. Außerdem kannte Grigorij einige der dunkelsten Geheimnisse des Regimes – Geheimnisse, die Wiktor als Waffe benutzen konnte. Grigorij war die Antwort auf Wiktors Gebete, und Wiktor hat ihn ausgenutzt. Darauf versteht sich Wiktor: Er nutzt Leute aus. Haben sie später keinen Wert mehr für ihn, wirft er sie den Wölfen zum Fraß vor.«
    »Haben Sie das alles auch Grigorij erzählt?«
    »Natürlich. Aber es hat ihn nicht sehr beeindruckt. Grigorij war der Meinung, er käme allein zurecht, und wollte sich nicht von einer Journalistin bevormunden lassen. Er war wie ein alternder Mann, der sich in ein hübsches Mädchen verknallt hat. Er konnte gar nicht mehr klar denken. Er hat sich in Wiktors Gesellschaft wohl gefühlt – die

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