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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Luxuswagen, die Partys, die Villen, die teuren Weine. Das war wie eine Droge. Grigorij war süchtig danach.«
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Vor zwei Wochen. Er war ganz aufgeregt. Irina spielte anscheinend mit dem Gedanken, nach London zu kommen. Aber er war auch sehr nervös.«
    »Wegen Irina?«
    »Nein, wegen seiner Sicherheit. Er war der Überzeugung, er werde überwacht.«
    »Von wem?«
    »Einzelheiten hat er nicht genannt. Er hat mir die neuesten Seiten seines Manuskripts gegeben. Und einen Brief, den ich für ihn aufbewahren sollte. Er hat mir erklärt, falls ihm etwas zustoße, werde ein Freund sich auf die Suche nach ihm machen. Er war zuversichtlich, dass dieser Mann irgendwann nach Oxford kommen und mich aufsuchen würde. Grigorij mochte diesen Mann und respektierte ihn sehr. Anscheinend hatten die beiden auf einer langen Fahrt durch die Weiten Russlands eine Art Pakt geschlossen.« Sie schob Gabriel den Brief in die Hand und zündete sich eine weitere Zigarette an. »Ich muss gestehen, dass ich das damals nicht mitbekommen habe. Vermutlich habe ich gerade geschlafen.«

18 O XFORD
    »Haben Sie ihn gelesen?«, fragte Gabriel.
    »Natürlich nicht!«
    »Das kann ich kaum glauben.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil Sie früher die berühmteste investigative Journalistin Russlands waren.«
    »Und?«
    »Investigative Journalisten sind von Natur aus Schnüffler.«
    »Wie Spione?«
    »Ja, wie Spione.«
    »Anderer Leute Briefe liest man nicht. Das gehört sich nicht.«
    Sie saßen im Queen’s Lane Coffee House an einem Sprossenfenster. Gabriel hatte die Straße im Blick, Olga das belebte Innere des Cafés. Sie hielt den Brief in einer Hand und eine Teetasse in der anderen.
    »Ich denke, dass damit die Debatte, ob Grigorij erneut übergelaufen ist oder entführt wurde, beendet sein dürfte.«
    »Ziemlich eindeutig.«
    Wie es der Zufall wollte, war auch dieser Brief fünf Sätze lang, aber im Gegensatz zu dem gefälschten Brief, der Grigorijs Rückkehr nach Russland ankündigte, war er nicht mit der Hand, sondern auf einem PC geschrieben. Er verfügte über keine Anrede, die den Adressaten hätte gefährden können. Gabriel ließ ihn sich von Olga zurückgeben und las ihn ein zweites Mal:
     
    W ENN DIESE Z EILEN IN I HREN B ESITZ GELANGEN , HAT C HARKOW MICH ENTFÜHREN LASSEN . D ARAN BIN ICH SELBST SCHULD , DESHALB SOLLEN S IE SICH BITTE NICHT VERPFLICHTET FÜHLEN , DAS V ERSPRECHEN ZU HALTEN , DAS S IE MIR IN JENER N ACHT IN R USSLAND GEGEBEN HABEN . A BER ICH MÖCHTE S IE UM EINEN G EFALLEN BITTEN : I CH FÜRCHTE , DASS MEIN W UNSCH NACH EINER V ERSÖHNUNG MIT MEINER GESCHIEDENEN F RAU SIE IN G EFAHR GEBRACHT HAT . WENN I HRE L EUTE IN M OSKAU AB UND ZU NACH IHR SEHEN KÖNNTEN , WÄRE ICH I HNEN SEHR DANKBAR . S OLLTE ICH I HNEN NOCH EINEN R AT AUS DEM G RAB ERTEILEN DÜRFEN , WÄRE ES DIESER : GEHEN SIE VORSICHTIG ZU WERKE .
     
    An dem Brief war mit einer Büroklammer ein zehn mal fünfzehn Zentimeter großes Foto befestigt. Es zeigte Grigorij und seine geschiedene Frau in glücklicheren Zeiten an einem reich gedeckten Tisch. Irina Bulganowa war eine attraktive Frau mit einer blonden Kurzhaarfrisur und der durchtrainierten Figur einer ehemaligen Sportlerin. Gabriel hatte sie noch nie gesehen. Trotzdem entdeckte er etwas entfernt Vertrautes in ihrem Gesicht.
    »Glauben Sie das?«, fragte Olga.
    »Welchen Teil?«
    »Was Charkow betrifft. Könnte er wirklich ein so komplexes Unternehmen auf die Beine stellen?«
    »Charkow ist durch und durch KGB-Mann. Sein Waffenschmuggel-Netzwerk war das raffinierteste, das die Welt bis dahin gesehen hatte. Auf seiner Gehaltsliste standen Dutzende von ehemaligen und aktiven Geheimdienstlern – auch unser Freund Grigorij Bulganow. Grigorij hat Charkows Geld genommen. Und dann hat er ihn verraten. In Russland ist der Preis für Verrat noch immer derselbe.«
    » Wyschaja mera« ,sagte Olga leise.
    »Die Höchststrafe überhaupt.«
    »Glauben Sie, dass er tot ist?«
    »Das wäre möglich.« Gabriel machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Dennoch bezweifle ich es.«
    »Aber er ist vor einer Woche verschwunden.«
    »Das klingt vielleicht lange, ist es aber nicht. Charkow will bestimmt Informationen, will alles wissen, was Grigorij den Briten und Amerikanern über sein Netzwerk erzählt hat. Anschließend wollen ihn vermutlich die Jungs aus der Lubjanka verhören. Die Russen sind sehr geduldig, was Verhöre unter Zwang betrifft. Sie sprechen davon, den Verdächtigen

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