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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Nachrichtenverkehr.«
    »Die hast du bereits. Unser Stationschef in Washington bekommt alle relevanten NSA-Protokolle.« Schamron machte eine Pause. »Die Frage ist nur: Was will Charkow wirklich? Und wann werden wir von ihm hören?«
    Der Wagen verließ die Nationalstraße 20 und fuhr über Serpentinen zu einem vom Regen gepeitschten Boulevard im Norden Tel Avivs hinunter. Schamron legte Gabriel eine Hand auf den Arm.
    »Ich wollte nicht, dass du aus solchem Anlass zurückkehrst, mein Sohn, aber willkommen daheim.«
    Draußen sah Gabriel ein Straßenschild vorbeihuschen:
    SDEROT SHAUL HAMELECH – King Saul Boulevard.

37 K ING S AUL B OULEVARD , T EL A VIV
    Der MI5 konnte mit der imposanten Wucht seines granitenen Thames House beeindrucken. Die CIA mit ihrer weitläufigen Zentrale aus Stahl und Glas in Langley. Der Dienst dagegen hatte nur ein unscheinbares Bürogebäude am King Saul Boulevard aufzuweisen.
    Es war grau, nichtssagend und vor allem anonym. Über seinem Eingang prangte kein Emblem; es gab kein Messingschild, das von der hier ansässigen Organisation kündete. Im Grunde wies überhaupt nichts darauf hin, dass dies die Zentrale eines der berühmtesten und gefürchtetsten Geheimdienste der Welt war. Bei genauer Betrachtung hätte sich gezeigt, dass hier ein Gebäude in einem Gebäude steckte – mit eigener Strom- und Wasserversorgung, eigener Kanalisation und hochmodernen Nachrichtenverbindungen. Alle Mitarbeiter hatten zwei Schlüssel: den ersten für die Eingangstür, den zweiten für den Aufzug. Wer die unverzeihliche Sünde beging, einen oder gar beide dieser Schlüssel zu verlieren, wurde in die Wildnis Judäas verbannt, aus der noch nie jemand zurückgekehrt war.
    Gabriel war nur ein Mal durchs Foyer hereingekommen – am Tag nach seiner ersten Begegnung mit Schamron. Danach hatte er es stets nur »schwarz« durch die Tiefgarage betreten. Das tat er auch jetzt mit Schamron an seiner Seite. Arnos Scharret, der Direktor, und Uzi Navot erwarteten sie in der Eingangshalle. Gabriels Verhältnis zu Amos war bestenfalls kühl, aber das spielte jetzt keine Rolle. Seine Frau, eine Agentin des Diensts, war verschwunden und befand sich vermutlich in den Händen eines Mörders, der Rache geschworen hatte. Nachdem Amos Gabriel sein Bedauern ausgesprochen hatte, versicherte er ihm, ihm stünden jetzt sämtliche Ressourcen des Diensts zur Verfügung. Dann führte er Gabriel, von Schamron und Navot gefolgt, zu einem wartenden Aufzug.
    »Ich habe ein Büro im obersten Stock für Sie räumen lassen«, sagte Arnos. »Dort können Sie gut arbeiten.«
    »Wo ist mein Team?«
    »An gewohnter Stelle.«
    »Wozu sollte ich dann im obersten Stock arbeiten?«
    Arnos drückte auf einen anderen Knopf und der Aufzug sank surrend in die Tiefe.
     
    Über Jahre hinweg war der Raum 456C nur eine Abstellkammer für veraltete Computer und abgenutzte Möbel gewesen und hatte Mitarbeitern der Nachtschicht oft als Liebesnest gedient. Inzwischen war dieser beengte Raum im dritten Kellergeschoss jedoch als Gabriels Schlupfwinkel bekannt. An der Tür klebte noch ein verblasster Computerausdruck: AD-HOC-KOMITEE ZUR UNTERSUCHUNG DER TERRORGEFAHR IN WESTEUROPA. Gabriel riss ihn ab, dann tippte er den Code in das Zahlenfeld ein.
    Der Raum, den sie betraten, war mit dem Müll früherer Unternehmen übersät, und manche behaupteten, hier spukten noch Gespenster jener Tage. An einfachen Holztischen, die ein Rechteck bildeten, saßen die Angehörigen von Gabriels Team: Diana und Rimona, Jaakov und Jossi, Eli Lavon und Michail. Fünf Kollegen verstärkten das Team: Oded und Mordecai, zwei universell einsetzbare Agenten, und drei junge Genies aus der EDV-Abteilung, die auf geheime Cyberkriegsführung spezialisiert waren. Sie waren die Leute, die Charkows Konten nach der Flucht seiner Frau leergeräumt hatten. In den vergangenen Tagen hatten sie ihre beängstigenden Talente ganz auf die Finanzen eines weiteren russischen Oligarchen konzentriert: Wiktor Orlow.
    Gabriel stand an der Stirnseite des Raums und musterte die Gesichter vor ihm. Er sah nur Zorn und Entschlossenheit. Diese Männer und Frauen hatten einige der kühnsten und gefährlichsten Unternehmen des Diensts durchgeführt. In diesem Augenblick bezweifelte keiner von ihnen, dass sie imstande wären, Chiara aufzuspüren und heimzuholen. Sollte das aus irgendeinem Grund misslingen, würden Tränen vergossen werden. Aber nicht jetzt. Und nicht vor Gabriel.
    Er stand schweigend vor ihnen und

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