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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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es nicht gewesen, die die Polizei alarmiert hatte. Wie das übrige Personal hatte sie strikte Anweisungen, was zu tun war, wenn sich ein Vorfall ereignete, der den Restaurator oder seine Frau betraf: Sie sollte zuerst den Conte Gasparri – den abwesenden Besitzer der Villa – anrufen und benachrichtigen. Genau das hatte sie um 22.07 Uhr getan. Der Graf wiederum hatte hastig Monsignore Luigi Donati, den Privatsekretär von Papst Paul VII., angerufen, und Donati hatte den Sicherheitsdienst des Vatikans verständigt. Binnen zwanzig Minuten waren Einheiten der Polizia di Stato und der Carabinieri vor der Villa eingetroffen und hatten den Tatort abgeriegelt. Weil die Autoschlüssel nicht auffindbar waren, brachen die Beamten den Kofferraum des Fiats auf und fanden darin drei Koffer – einen davon mit Frauenkleidung – und die Handtasche einer Frau. Daraus schloss der Einsatzleiter, hier liege mehr als nur ein Doppelmord vor. Offensichtlich hatte in dem Auto auch eine Frau gesessen. Und diese Frau war jetzt verschwunden.
    Ohne Wissen der Ermittler hatte der Vatikan bereits unauffällig mit den Arbeitgebern der Frau in Tel Aviv telefoniert. Der Agent, der diesen Anruf entgegengenommen hatte, rief sofort Uzi Navot an, der sich auf der Heimfahrt in den Vorort Petah Tikvah befand. Er wendete gefährlich über zwei durchgezogene Linien hinweg und raste zum King Saul Boulevard zurück. Unterwegs führte er drei Telefongespräche: mit Adrian Carter in Langley, mit dem Direktor des Diensts und zuletzt mit dem Memuneh, dem Verantwortlichen.
    Was Gabriel betraf, wusste er kaum etwas von dem Sturm, der um ihn herum wütete. Während Schamron den Ministerpräsidenten aus dem Schlaf riss, tat er sein Bestes, um die verzweifelte Elena Charkowa zu trösten. Anna und Nikolai, ihre beiden Kinder, spielten still nebenan, ohne zu ahnen, was passiert war. Was genau zwischen Gabriel und Elena gesprochen wurde, würde nie jemand erfahren. Wenig später traten sie gemeinsam aus der Lodge: Elena tränenüberströmt, Gabriel mit stoischer Miene und über der Schulter hängender Reisetasche. Als er den Adirondack Regional Airport erreichte, stand sein Flugzeug betankt startbereit. Es brachte ihn direkt zur Anderson Air Force Base, wo eine Gulfstream G500 bereitstand, um ihn nach Hause zu transportieren. Wie die Besatzung später berichtete, aß und trank er während des zehnstündigen Fluges nichts und sprach kein einziges Wort. Er hockte nur stumm wie eine Statue in seinem Sessel und starrte aus dem Fenster in die Nacht hinaus.

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F LUGHAFEN B EN -G URION , T EL A VIV
    Auf dem Flughafen Ben-Gurion gibt es einen Raum, den nur eine Handvoll Leute kennt. Er liegt links neben der Passkontrolle hinter einer unbezeichneten Tür, die ständig abgeschlossen bleibt. Seine Wände bestehen aus imitiertem Jerusalemer Kalkstein, die Einrichtung entspricht der für Flughäfen typischen Möblierung: schwarze Kunstledersofas und -sessel, Beistelltische im Baukastensystem und billige moderne Lampen, die unbarmherzig grelles Licht verbreiten. Er hat zwei Fenster, beide aus erstklassigem Einwegglas, von denen eines aufs Vorfeld und das andere ins Empfangsgebäude hinausführt. Dieser Raum, zu dem nur Angehörige des Diensts Zutritt haben, ist der erste Zwischenstopp für Agenten, die von geheimen Auslandseinsätzen zurückkehren. Hier riecht es ständig nach abgestandenem Zigarettenrauch, altem Kaffee und männlicher Anspannung. Das Reinigungspersonal hat schon alles versucht, um diesen Geruch zu tilgen, aber er hält sich hartnäckig. Wie Israels Feinde ist er mit herkömmlichen Mitteln nicht zu besiegen.
    Gabriel hatte diesen Raum – und andere dieser Art – schon oftmals betreten. Er war nach Erfolgen triumphierend eingezogen oder nach Misserfolgen bedrückt hineingestolpert. Er war in diesem Raum gefeiert und ein Mal mit einer noch in seiner Brust steckenden Kugel hineingerollt worden. Jetzt betrat er ihn zum zweiten Mal, nachdem Gewaltverbrecher einen Anschlag auf seine Frau verübt hatten. Nur Schamron erwartete ihn dort. Schamron hätte vieles sagen können. Er hätte sagen können, dies alles wäre nicht passiert, wenn Gabriel nach Israel heimgekehrt wäre. Oder dass es töricht von Gabriel gewesen sei, sich für einen russischen Überläufer wie Grigorij einzusetzen. Aber das tat er nicht. Er sagte zunächst gar nichts, dann legte er Gabriel eine Hand auf die Wange und starrte in die grünen Augen. Sie waren blutunterlaufen und von Zorn und

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