Der Olivenhain
keine konkreten Medikamente oder gar gezielte Gentherapien zur Anwendung am Menschen hervorgegangen. Zwar zeigen sich Doktor Hashmis Untersuchungen, die sich auf eine bestimmte Gruppe von Proteinen konzentrieren, vielversprechend für eine gezielte Therapie, dennoch gibt es nach wie vor Forscher, die die erhöhten Proteinwerte bei Doktor Hashmis Super Agern für ein bloßes Symptom der Langlebigkeit halten.
Dennoch ist es bislang keinem anderen Wissenschaftler auf diesem Gebiet gelungen, eine Ursache für das verlangsamte Altern von Doktor Hashmis Super Agern zu benennen. Seinen Kritikern gegenüber betont Doktor Hashmi, dass der genetische Zusammenhang – also die Tatsache, dass auch die Kinder seiner Super Ager länger leben – auf eine genetische Ursache des Alterns hinweist.
Neben diesen Fragen zur wissenschaftlichen Genauigkeit wirft eine Verlängerung unserer Lebenszeit ethische und praktische Fragen auf. Verlängert sich die derzeitige Lebenserwartung des Menschen auch nur um zwanzig Jahre – wodurch die Weltbevölkerung im Grunde um eine Generation aufgestockt würde –, so stellt sich unweigerlich das Problem der Überbevölkerung. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen vor zweihundert Jahren gerade einmal bei fünfundvierzig Jahren lag.
Heute haben die Menschen in den Industrieländern eine fast doppelt so lange Lebenserwartung. Diese Veränderungen sind unmittelbar zurückzuführen auf die wissenschaftlichen Fortschritte in den Bereichen Nahrungsmittelproduktion, Impfung, Antibiotika und der menschlichen Gesundheit allgemein. Doktor Hashmis Forschung verschiebt diese wissenschaftlichen Grenzen nun.
Ebenso wie sich die Menschen im Laufe der vergangenen zweihundert Jahre immer wieder neu an die neue Realität angepasst haben, so werden auch die nachfolgenden Generationen ihre Lebensmuster an die Tatsache anpassen, dass sie eine höhere Lebenserwartung haben. Darüber hinaus könnte sich diese Debatte erübrigen, wenn man in Betracht zieht, dass jeder Mensch eine Verlängerung der Lebensdauer theoretisch nur so lange ablehnt, bis er sich selbst mit dem Verlust eines Angehörigen oder eigenen gesundheitlichen Problemen konfrontiert sieht.
Persönliche Einschätzung:
Amrit Hashmi wurde in Indien geboren. Sein Vater wurde im Zuge der Atomversuche in Oak Ridge als Mitarbeiter angeworben. Hashmi wurde zusammen mit seinen Eltern eingebürgert, behielt aber seine indische Staatsbürgerschaft und besucht seine Heimat regelmäßig. Seine erste Ehe war arrangiert und blieb kinderlos. Seine Ehefrau starb vor über zehn Jahren.
Doktor Hashmi ist ein enthusiastischer Redner und leidenschaftlicher Wissenschaftler. Manch einen Kollegen verschreckt sein Eifer für sein Thema. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich für eine Jugendorganisation im Großraum Pittsburgh. Dort lernen unterprivilegierte Kinder, wie man Drachen steigen lässt. Ein Mitglied dieser Organisation erklärte, dass Doktor Hashmi vor einigen Jahren einen Lehrplan für das Nachmittagsprogramm entworfen hat, um den Jugendlichen anhand des Drachenbaus die Grundlagen der Geometrie und des räumlichen Denkens zu vermitteln.
Ich bin von Doktor Hashmis Forschungsarbeit vollkommen überzeugt und denke, dass sie neue Maßstäbe setzen wird. Verglichen mit vielen etablierteren Disziplinen ist sein Fachgebiet zwar noch recht jung, doch gerade weil es bislang so wenig beachtet wurde, kann die Altersforschung ungeheure Ergebnisse liefern. Selbst ohne die genauen und vielgestaltigen Mechanismen des Alterns zu kennen, ist es Wissenschaftlern gelungen, Leben im Labor zu verlängern. Es verdient unsere höchste Anerkennung, dass Doktor Hashmi versucht, diese Verfahren auf den Menschen zu übertragen.
Empfehlung:
Ich schlage Doktor Hashmi für ein dreijähriges Forschungsstipendium der MacArthur-Stiftung vor.
V
Bets am Ende der Saison
1.
Vertrauen
E l izabeth mochte es nicht, dass man sie Bets nannte, aber meist blieben die Spitznamen an einem haften, von denen man es am wenigsten erwartete. Es war ihr Grandpa Percy gewesen, der sie Bets getauft hatte. Baby Bets, um genau zu sein, denn bis sie ins Teenageralter kam, war sie einen Fuß kleiner als alle anderen Kinder ihres Alters gewesen.
Daran musste Elizabeth denken, als sie auf dem Weg zurück nach Hill House den Kopf einzog, um nicht gegen einen der Äste im Hain zu stoßen. Ihre gesamten neunzig Lebensjahre hatte sie in diesem
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