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Der Olivenhain

Der Olivenhain

Titel: Der Olivenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Miller Santo
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herangelassen wie LaJavia. Das Mädchen wusste, wie es war, wenn der Schmerz nicht vergehen wollte und man bereit war zu töten, um ihm ein Ende zu machen. Immer wieder hatten sie darüber geredet, wie gut es war, dass Calvin zwar gelähmt war, aber noch lebte, nachdem er über hundert Meter vom Pontiac mitgeschleift worden war.
    Deborah musste oft an die Nacht denken, in der LaJavia ihr gebeichtet hatte, dass sie bis zu dem Augenblick, in dem es den Sanitätern gelang, Calvin wiederzubeleben, nicht sicher war, ob sie überhaupt wollte, dass er überlebte. Deborah hatte die ganze Nacht lang geweint, so heftig, dass sie am nächsten Tag Kopfweh davon hatte.
    Sie dachte daran, wie anders ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie nach dem ersten Schuss aufgehört hätte. Doch ihre Wut war erst nach dem sechsten Schuss langsam verebbt, und die angestaute Wut der vielen Jahre, in denen Carl sie übergangen, betrogen und schlecht behandelt hatte, brach damals ungezügelt aus ihr heraus. Nach diesen sechs Schüssen konnten ihn auch keine Sanitäter mehr retten.
    Es war Viertel nach sechs. Erst in einer Stunde wurden die Zellen zum Frühstück aufgeschlossen. Wie hatte sie das all die Zeit nur ertragen, dieselbe Routine Tag für Tag, ein Schritt wie der andere, ohne die geringste Abwechslung? Sie hoffte inständig, dass wenigstens eine der Aufseherinnen eine neue Frisur hatte, das sorgte immerhin für ein wenig Gesprächsstoff. Künstlich aufgebauschte Dramen innerhalb der Gefängnisfamilien und Tratsch waren das Einzige, was die Monotonie ein wenig auflockerte.
    »Alles klar?«, fragte LaJavia. »Warum liegst du noch im Bett?«
    »Wir haben noch viel Zeit«, antwortete Deborah, und für einen Moment war die alte Vertrautheit wieder zurück. Sie streckte die Hand aus und strich ihr zärtlich über die vielen Zöpfchen, die Nella und sie stundenlang in LaJavias widerspenstiges Haar geflochten hatten. Dann schloss sie die Augen und stellte sich vor, sie würde ihrer Tochter Erin durchs strubbelige Haar streicheln.
    »Willst du mir jetzt von der Anhörung erzählen? Gestern warst du zu müde und wolltest einfach nur schlafen.«
    Deborah war noch nicht in der Lage, mit LaJavia über ihre Freilassung zu sprechen. »Lass mich erst einmal auf die Beine kommen.«
    Der Schmerz in Deborahs Stimme ließ LaJavia verstummen. Schweigend warteten beide, bis die Aufsicht die Zellen aufschloss. Später wollte Deborah mit Nella besprechen, was sie LaJavia zum Abschied schenken sollte. Nella war Künstlerin, hatte viele Ideen auf Lager und konnte gut improvisieren.
    Einige Tage später holte Nella einen Papierbogen aus ihrem Spind, den sie selbst hergestellt hatte. Dazu riss sie alte Briefumschläge in Fetzen, weichte sie tagelang in Wasser ein und hängte sie danach zum Trocken über die Abzugsluke in der Zelle. Am Ende war dieses Papier nicht von dem wertvollen zu unterscheiden, das sich Künstler für viel Geld im Fachhandel kauften.
    »Ich musste ein bisschen improvisieren, weil ich LaJavias Kind nie gesehen habe.«
    »Warst du schon hier, als sie das Kind verloren hat?«
    »Ich war in einem anderen Block, aber wir haben von der Geschichte gehört. Viele meinten damals, sie hätte gute Chancen, wenn sie den Staat verklagen würde. Letztlich hat sie aber nichts unternommen.«
    Bei Haftantritt war LaJavia im vierten Monat schwanger von ihrem Freund gewesen. Dessen Familie hatte bereits das Sorgerecht beantragt, und LaJavia sagte immer, sie sei sich vorgekommen wie ein Brutapparat. »Sie hat es sehr schwer genommen, als der Kleine starb. Sie dachte, Gott wollte sie bestrafen.«
    »Ja, ich weiß. Hier drin denkt man immer, man hätte jeden noch so beschissenen Schicksalsschlag verdient.« Nella zeigte ihr das Porträt. »Alle Babys sehen irgendwie gleich aus, oder?«
    »Sieht jedenfalls wie ein Junge aus. Vielleicht ein bisschen zu alt«, antwortete Deborah. Sie kannte sich mit Wasserfarben nicht aus, wusste aber noch aus Erins Zeit im Kindergarten, dass man dafür das richtige Papier brauchte, sonst hielt die Farbe nicht. Sanft strich sie mit den Fingerkuppen über das Porträt. Die Augen des Kindes waren geschlossen.
    »Es ist ein Baby. Babys sehen so aus«, sagte Nella und sah auf ihre Einkaufsliste.
    Deborah schüttelte den Kopf. »Ein Bild von ihm wäre gut gewesen. Du weißt doch, wie ihr anderer Sohn aussieht, der immer zu Besuch kommt?«
    »Ja klar, aber der ist doch schon zwölf Jahre alt. Ich habe mir einfach LaJavias Augen vorgestellt und

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