Der Olivenhain
ganz viele dunkle Löckchen dazugemalt, damit man gleich sieht, dass er schwarz ist.«
Deborah sah Nellas schwarze verfaulte Zahnstummel, ein typisches Zeichen für Crystal-Meth-Süchtige. Draußen hatte sie schon ihre eigene Familie beklaut. Sie brauchte immer Geld für die Drogen und handelte deshalb mit Knastgeld. Deborah hatte genug davon, denn Bets schickte jeden Monat große Pakete voller Zeug. Deborah drückte das Bild an die Brust. In ihrer Zelle schrieb sie LaJavia eine Widmung auf die Rückseite.
»Nella hat ganze Arbeit geleistet, der Kleine sieht LaJavia echt ähnlich«, sagte die Neue, eine Schwarze, die kaum eine Woche hier war und von LaJavias enger Beziehung zu Deborah wenig hielt. Sie fand, LaJavia sollte sich lieber einen Knast-Lover suchen.
»Nella ist ein Junkie«, sagte Deborah, weil sie wusste, dass die Neue mit Meth dealte.
Die Schwarze wich zurück und zischte etwas Unverständliches durch die Zähne. Vor der muss man sich in Acht nehmen, dachte Deborah, und überlegte kurz, ob sie der Widmung noch eine Warnung hinzufügen sollte. Doch dann steckte sie das Bild in einen großen Umschlag und legte es LaJavia aufs Bett. In ihrer gedrängten, engen Schrift hatte sie daraufgeschrieben: »Erst aufmachen, wenn ich weg bin.«
5.
Überraschungsparty
D e borah genoss es, mit ihrer Familie abends am Küchentisch zu sitzen und zu essen. Danach ging sie hinaus auf die Veranda, und meistens leisteten ihr Bets und Anna Gesellschaft, dicht gefolgt von Bobo. Erin sah sich derweil einen Songwettbewerb im Fernsehen an, und ihre Mutter verzog sich mit dem Telefon in ihr Zimmer. Von der Veranda aus hatte man einen herrlichen Ausblick auf den Olivenhain, der bald anfangen würde zu blühen.
»Sollen wir für Erin eine Überraschungsparty schmeißen?«, fragte Deborah eines Abends Ende März.
»Eine Party für das Baby?«, fragte Bets zurück.
»Nein, sie hat doch nächsten Mittwoch Geburtstag«, sagte Anna.
»Ja genau, das ist mir gestern auch eingefallen«, sagte Deborah. Seit ihrer Rückkehr waren die Tage wie im Flug vergangen, sogar die langen Arbeitsstunden im Pit Stop verflogen wie Minuten.
»Sie mag aber doch kein großes Tamtam«, gab Bets zu bedenken. »Schon in der Schule hat sie die blöden Scherze gehasst.«
»Keine Scherze und kein Tamtam, nur Kaffee und Kuchen für ein paar alte Freunde und Bekannte aus der Highschool, die noch in der Gegend sind«, gab Deborah schnell zurück, denn sie wollte sich die Zügel nicht gleich aus der Hand nehmen lassen.
Anna und Bets sahen sich missmutig an. »Ich glaube nicht, dass Erin scharf darauf ist, alte Bekannte wiederzusehen. Sie mag keine Überraschungen. Weißt du noch, als sie zwölf war, und plötzlich dieser Junge, wie hieß er gleich? Parker …«
»Du weißt ganz genau, dass ich mich daran nicht erinnern kann«, erwiderte Deborah spitz, überzeugt, dass Bets sie kränken wollte.
Bets legte ihr besänftigend die Hand aufs Knie. »Wir wollen alle nur das Beste für Erin, so wie du.«
»Ich habe ihr so viele Jahre lang nichts Gutes tun können, das will ich jetzt nachholen.« Deborahs Schaukelstuhl wippte hektisch.
»Solange du da warst, bist du eine gute Mutter gewesen«, sagte Anna und schaukelte so ruhig in ihrem Stuhl, dass es kaum auszumachen war, ob sie selbst oder der Wind die Bewegung verursachte.
Kurz darauf erschien Erin schniefend und mit tränenverschmiertem Gesicht in der Tür. »Die Show ist so kitschig, aber ich falle immer wieder darauf herein. Heute mussten die Kandidaten Balladen singen.«
Alle murmelten zustimmend, wie schwierig es sei, sich traurige Liebeslieder anzuhören. »Komm, setz dich zu uns.«
Bets fing an, ein altes Liebeslied zu summen, verstummte dann wieder und erzählte stattdessen von der Nacht vor Erins Geburt. Zuerst dachten alle, es sei ein Scherz, als Deborah von der Pension aus anrief, um mitzuteilen, dass die Wehen einsetzten. »April! April!«, hatte ihre Mutter in den Hörer geblökt, als Deborah sagte, die Fruchtblase sei geplatzt.
Erins Mutter dachte daran, dass Carl besoffen im Bett gelegen hatte und nicht wach zu kriegen war. Sie lag neben ihm und spürte, wie die Kontraktionen im Unterleib in regelmäßigen Abständen wiederkehrten und in den frühen Morgenstunden immer heftiger wurden.
Callie wurde zur Heldin der Geschichte stilisiert. Bets erzählte, wie sie alle Stoppschilder und die einzige rote Ampel in Kidron ignoriert hatte, um Deborah rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen. Deborah
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