sprechen. Ich habe meine Frau kaum gekannt, als wir heirateten, wir waren eben jung und voller Leidenschaft und haben deshalb nicht gemerkt, wie wenig uns im Grunde verbindet.
Und nun Du und Dein Brief! Ich werde nichts mehr schreiben, aber Deine Frage will ich Dir beantworten: Ja, wir haben so vieles gemeinsam, mit keinem Menschen habe ich mich je so verbunden gefühlt. Ich wäre jetzt gerne bei Dir, doch es gibt noch viel zu tun. Meine Arbeit ist auch wichtig für Dich, sie wird auch Dein Leben verändern. Ich muss Schluss machen, mein Telefon läutet ständig, und dauernd kommen neue E-Mails rein. Wir sehen uns bald, und dann sprechen wir über alles.
Alles Liebe, A.
Von: Callie <
[email protected] >
Betreff: viel zu lang
Gesendet: 27. Mai 21:58
An: Amrit Hashmi <
[email protected] >
Darling,
immer nachdem wir aufgelegt haben, fallen mir so viele Dinge ein, die ich Dir gern erzählt hätte. Es ist schön, Deine Stimme zu hören, doch irgendwie fehlt etwas.
Vorhin am Telefon habe ich gelogen. Ich bin überhaupt nicht aufgestanden, sondern habe den ganzen Tag im Bett verbracht. Ich wollte nicht, dass Du denkst, ich sei ein Schwächling, aber ich habe Tabletten genommen und den Tag verschlafen. Wenn ich zwischendurch wach war, habe ich Deine Briefe noch einmal gelesen oder in Zeitschriften geblättert. Meine Mutter hat mehrmals versucht, mich aus dem Bett zu holen, zuerst noch freundlich mit frisch gebackenen Zimtbrötchen, doch als sie schließlich wieder zu Bett ging, stieß sie wüste Drohungen aus und hörte erst damit auf, als Anna schrie, sie soll mich in Ruhe lassen.
Wie geht die Sequenzierung unseres Genoms voran? Ich verstehe ja nichts davon, hoffe aber, dass es einem guten Zweck dient und uns oder wenigstens anderen weiterhilft. Kann unsere DNA denn auch Krankheiten heilen helfen? Zum Beispiel wenn kleine Kinder vorzeitig vergreisen, wie in dem blöden Film mit Robin Williams? Kann man dafür eine Therapie entwickeln? Ich möchte gerne besser verstehen, was Du in Deinem Labor in Pittsburgh machst.
Komm bald!
Alles Liebe, C.
Von: Amrit Hashmi <
[email protected] >
Betreff: Studie
Gesendet: 30. Mai 06:13
An: Callie <
[email protected] >
Cham-Cham,
tut mir leid, dass ich erst jetzt auf Deine E-Mail eingehen kann. Ich habe ja am Telefon schon gesagt, dass ich hier noch viel erledigen muss, bevor wir uns wiedersehen können. Aber dann erkläre ich Dir alles.
Kennst Du Ambrosia? Das ist der Göttertrank, von dem die alten Griechen sagten, ein Schluck würde genügen, um Unsterblichkeit zu erlangen. Auch wir Inder haben einen Namen dafür – er lautet Amrit. Er ist im ganzen Orient weit verbreitet und beliebt, denn er erinnert uns daran, dass wir nur durch unsere Nachkommen unsterblich werden.
Meine Mutter nahm oft meinen Kopf in ihre zarten Hände, küsste mich auf die Stirn und sagte, ich wäre die perfekte Kombination aus meinem Vater und ihr, und nun sei es an mir, selbst Kinder zu zeugen, die ihrerseits eine Mischung aus ihren Großeltern und gleichzeitig eine neue Verschmelzung von meiner Frau und mir ergeben würden.
Du weißt ja, dass ich leider keine eigenen Kinder haben kann. Padra und ich erfuhren es in Spanien, genau in dem Moment, als ich anfing, mich mit der These von der Unsterblichkeit biologischer Organismen zu befassen.
Du ahnst, auf was ich hinauswill. Deine Familie und Du, ihr seid nur ein paar Schritte vom Göttertrank entfernt. Ich glaube fest daran, dass wir bald die Frage beantworten können, warum Menschen altern, und vor allem, warum manche langsamer altern als andere. Damit eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, das menschliche Leben zu verlängern.
Trotzdem möchte ich Dich bitten, nicht darüber zu reden. Die Altersforschung steckt noch in den Anfängen und wirft moralische und ethische Probleme auf, die nicht einfach zu lösen sind. Ich für meinen Teil sage immer, ich arbeite an neuen Verfahren, um altersbedingte Krankheiten zu therapieren. Aber es dürfte allen bewusst sein, dass wir in dem Moment, in dem wir die Krankheiten, die zum Tode führen, therapieren können, auch ein Mittel gegen den Tod an der Hand haben.
Ich könnte jetzt noch viel erzählen von Sirtuinen, den sogenannten Langlebigkeitsproteinen, die unseren Körper jung halten, oder davon, dass fast alle Erkrankungen des menschlichen Körpers auf Entzündungen zurückgehen, aber was würde das bringen? Ich habe einfach den altmodischen Wunsch, solide Forschung zu