schlechte Seiten hat. Jetzt herrscht so viel Fröhlichkeit und Lebensfreude bei Euch. Manchmal erkennt man es nicht auf Anhieb, wenn ein schmerzliches Ereignis Gutes mit sich bringt.
Wie geht es dem Kind? Ich gebe zu, dass auch ich auf ein Mädchen gehofft hatte, aber vielleicht kann der Kleine (Keller heißt er, nicht wahr?) ja am Ende meine These widerlegen oder bestätigen. Da wären wir wieder bei der Frucht und der Milch.
Es fällt mir nicht leicht, mich in Dich hineinzuversetzen, das schwierige Verhältnis zu Deiner Tochter kann ich kaum nachvollziehen. Meine Frau und ihre Mutter waren wie Schwestern. Ihre Beziehung wurde noch inniger, nachdem wir ihr gesagt hatten, dass wir keine eigenen Kinder bekommen würden. Ich habe sie einmal gefragt, ob sie als Jugendliche auch so gut mit ihrer Mutter ausgekommen ist (wir haben jung geheiratet, sie war erst neunzehn und kannte nicht viel von der Welt). Damals sagte sie, Töchter müssten immer Kämpfe mit ihren Müttern ausfechten. Vielleicht musstet ihr diese Kämpfe nun nachholen, weil Deborah so lange weg war. Ich bin sicher, dass sie – wo auch immer sie sein mag – nicht in Gefahr ist.
Das Projekt macht große Fortschritte; wenn wir in dem Tempo weiterkommen, werde ich Anfang Juli für weitere Befragungen zu Euch kommen. Wir haben ja schon oft darüber gesprochen, aber Du und Deine Familie bringt meine Forschung voran. Seit Jahren habe ich auf einen solchen Glücksfall gewartet.
Ich bin noch im Labor, alles hier ist so steril, daher klingen auch die Liebeserklärungen, die ich von hier sende, ein wenig keimfrei. Es ist unendlich lange her, seit wir uns im März gesehen haben. Ich rufe Dich heute Abend an, dann bin ich wieder der andere Amrit, der Amrit, dem Du Dein Herz ausschütten kannst.
Alles Liebe, A.
Von: Callie <
[email protected] >
Betreff: AW: Gratulation und Beileid
Gesendet: 22. Mai 19:21
An: Amrit Hashmi <
[email protected] >
Darling,
wenn Du nur hier wärst, dann würde mir das Aufstehen jeden Tag nicht so schwerfallen (oder vielleicht schon, aber aus anderen Gründen). Alle sind sprachlos, keine weiß, was sie dazu sagen soll, besonders Erin hat es sehr getroffen, denn sie hatte gehofft, dass sich all ihre Probleme mit der Rückkehr ihrer Mutter lösen. Sie sollte endlich einsehen, dass es an der Zeit ist, mit Kellers Vater ins Reine zu kommen. Sie geht immer noch nicht ans Telefon, wenn er anruft.
Dem Kleinen geht es prächtig. Wenn Du Kinder hättest, wüsstest Du, dass man versöhnt ist mit der Welt, sobald man ein Neugeborenes im Arm hält. Erin findet, er schreit zu laut, sie kriegt jedes Mal die Krise, wenn er nur sein Mündchen öffnet. Dabei schreit er eher dezent und unaufdringlich, ich jedenfalls finde es entzückend. Er weint nur, wenn er Hunger hat oder auf den Arm genommen werden möchte – es sind dieselben Gründe, aus denen wir alle manchmal weinen.
Ich konnte noch nicht wieder in den Laden gehen. Gestern habe ich es versucht, aber es war mir zu kalt. Darüber musst Du sicher lachen, aber wir Kalifornier frieren eben schnell. Nancy kümmert sich bestimmt um nichts, sie lässt alles verkommen und hat wahrscheinlich keine Ahnung, dass Deb den Laden ruiniert hat. Sie hat so viel Geld aus dem Safe genommen!
Ich fürchte, der Pit Stop muss bald schließen. Gerade versuche ich, das fehlende Geld irgendwo aufzutreiben, doch das ist nicht leicht. Anna und Bets kann ich nicht um Geld bitten, sie sollen nicht wissen, was mir meine Tochter angetan hat. Schlimm genug, dass ich sie nicht in Ruhe lassen konnte und mich auch noch im Krankenhaus mit ihr geprügelt habe!
Ich wünschte, ich wäre die Frau, die Du in mir siehst, und außerdem wüsste ich gern, was ein Cham-Cham ist. Kannst Du mir das bei Deinem nächsten Besuch hier in Kidron genauer erklären?
Alles Liebe, C.
Von: Amrit Hashmi <
[email protected] >
Betreff: Brief
Gesendet: 23. Mai 10:32
An: Callie <
[email protected] >
Cham-Cham,
gestern kam Dein Brief an. Ich kann dir nicht erklären, was Du mir bedeutest. Aber ich schwöre Dir, es ist sehr viel mehr als nur Interesse an Deiner Familie. Mit meiner lieben Padra, die schon so lange tot ist, habe ich nie erlebt, was ich jetzt mit Dir erlebe. Du hast mit Deinem verstorbenen Mann sicher auch viele schöne Momente geteilt, obwohl Ihr einander nicht alles geben konntet, wonach ihr Euch gesehnt habt. Ich bin überwältigt von meinen Gefühlen für Dich, auch am Telefon kann ich kaum darüber