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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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kühles, milchiges Feuer brannte in ihren Augen. Die Taan unterhielten sich wieder in ihrer Vogelsprache. Weder kümmerten sie sich um die Bildschirme, noch schienen sie das Schiff m irgendeiner Weise zu steuern, und doch bewegte es sich mit großer Effizienz und Eleganz. Devolution, erinnerte sich Latil. Das Schiff hatte von Devolution gesprochen, um zu erklären, warum die Taan vor dreihundert Jahren angefangen hatten, den Opal zu bauen. Die Taan waren damals die technologisch fortgeschrittenste Ethnie des bekannten Universums gewesen. Sie hatten sich aus freiem Willen in ihrem Sonnensystem eingeschlossen, sie hatten aus freiem Willen auf die Hegemonie verzichtet. Sie hatten nach einem Spiel gesucht, das ihre überschüssigen Produktivkräfte für lange Zeit binden konnte, und sie hatten es schließlich in einem Projekt gefunden, das allen anderen schwachsinnig vorgekommen war. Als Latil jetzt das Ergebnis dieses Projekts mit eigenen Augen sah, verstand sie die Taan. Das war eine neue Dimension des Begriffs ›Arroganz‹. Dort, an der Grenze zum Opal, verglich sie sich selbst mit dem Stäubchen auf einer Nadel, die gleich in einen gigantischen Luftballon hineinstechen würde. Einen Luftballon mit dem Durchmesser von fünf astronomischen Einheiten. Sie war geistig völlig klar. Der Kragen um ihren Hals störte sie nicht sonderlich. Die Taan zwitscherten immer noch. Einer von ihnen legte seine Hand auf ihren linken Oberschenkel und es war ihr nicht einmal unangenehm. Der Taa, der sie verhaftet hatte, hatte es ihr erklärt.
    Der Opal musste das Schiff erst akzeptieren. Er war wie ein Organismus, der bei Eintritt eines Fremdkörpers entscheidet, ob er ihn bei sich behält oder wieder abstößt, und deswegen habe die Umbauphase in dem Asteroiden so lange gedauert. Sie hätten versucht, das Schiff dem Opal so gründlich wie möglich anzupassen, es dem Organismus des Opals so unauffällig wie möglich zu machen, aber letztendlich entscheide der Opal selbst. Latil war die Hand des Taa auf ihrem Bein nicht unangenehm. Sie war völlig entspannt, der Kragen um ihren Hals wog so gut wie nichts. »Was tut ihr, wenn uns der Opal nicht will?« Die drei antworteten ihr nicht. Sie war damit zufrieden. Sie kannte die Antwort ohnehin. In der Haut des Opals bildete sich ein Loch. Von seinem Rand gingen Wellen aus, wie vom Erschütterungszentrum in einer Wasseroberfläche zum Beispiel, wenn gerade ein Stein hineingefallen ist. Das Loch zog sie so sehr an, dass sie mit ihrem Gesicht dem Bildschirm näher rückte, Stück für Stück. Sie wurde sich dessen erst bewusst, als die Taan hinter ihr lachten. Lächelnd setzte sie sich wieder gerade hin. Die Nadel begann in den Ballon hineinzustechen. Langsam, langsam, langsam. Latil war unendlich müde.
     
    Wenn das eine Gefängniszelle war, dann war sie recht komfortabel. Es wirkte alles wie erste Wahl. Latil kam sich in diesem gemäßigten Luxus fremd vor. Das Licht war mild, die Möbel sahen teuer aus, die Wandbehänge waren keine Raumhafenkunst, sondern echt. Einer der kleineren Wandteppiche war mit dem verschlungenen Symbol bestickt, das die Herrschaft der Taan über die Passage englouti angezeigt hatte. Latil lief mit dem Kragen an ihrem Hals im Zimmer herum und fasste alles an. Sie kam zu dem Schluss, dass dies ein Gästezimmer der Oberklasse war. Eins für die besseren Gäste. Nachdem die Wirkung der Droge nachgelassen hatte, mit der sie betäubt worden war, war sie innerlich blutrot vor Wut. Sie hatte ziemlich konkrete Tötungsphantasien gegen unspezifizierte Mitglieder des Clans, gegen die drei Taan, die sie festgenommen hatten, und erstaunlicherweise auch gegen die Passage englouti, die sie verraten hatte. Lächerlich. Das Schiff war schlicht und ergreifend übernommen worden in diesem Asteroiden, es hatte genauso wenig dagegen tun können wie sie, als ihr der Kragen angelegt worden war. Sie versuchte es erst gar nicht. Der Kragen saß fest an ihrem Hals und würde genau dann abgenommen werden, wenn die Taan das wollten, nicht früher, nicht später. Ihr Hals fühlte sich ein wenig verrenkt an. Sie hatte in einem der Sessel schlafen müssen, um sich nicht im Bett am Kragen den Hals zu brechen. Das würde vorbeigehen. Sie lebte noch. Vielleicht würde sie herausfinden, wie diese Maschinen funktionierten, und vor allem, warum sie so schnell waren. Die Tür zu ihrer Zelle öffnete sich.
    »Darf ich hereinkommen?«, fragte der Taa.
    »Ja«, sagte Latil, um die Kontrolle ihres

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