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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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zweiter Beauftragter zugeteilt, der sich dir vorstellen wird, wenn wir zu der Überzeugung gekommen sind, dass er das ohne Lebensgefahr tun kann.«
    »Rotzer.«
    »Dann kannst du auch deine Tür öffnen. Bis zur großen Wallfahrt sind es noch drei Tage. Ruh dich aus. Stell deine Fragen.«
    »Schluss jetzt.«
    Haku verschwand wirklich. Er löste sich jedoch nicht einfach in Luft auf, sondern schmorte recht langsam zu einer flüssigen Säule zusammen, die zu Boden prasselte, als sie nur noch so dick wie ein Finger war. Die Flüssigkeit verwandelte sich auf dem Boden in dicke silbrige Perlen, in denen sich das ganze Zimmer spiegelte. Die meisten der Perlen verdampften. Einige rollten zu den Scherben des Funkenglases und postierten sich in einer geometrisch ansprechenden Formation um den Ort der Zerstörung. Die goldenen Funken ordneten sich zu einem tanzenden Muster, die Scherben zogen einander wie magnetisch an und vervollständigten sich selbst zu der ursprünglichen Glaskuppel, bis auf den letzten Splitter. Latil musste sich das ansehen. Sie ekelte sich davor wie vor dem Tod, aber sie musste sich ansehen, was da geschah. Als das Glas wieder heil war, stiegen die letzten Reste des Mondos wie Seifenblasen in die Luft auf und zerplatzten.
    »Stell das Glas doch bitte wieder auf den kleinen Tisch, wenn du zufällig daran vorbeikommst«, sagte Hakus körperlose Stimme in den Raum hinein. »Es ist das Umweltkontrollsystem deines Zimmers.«
     
    Sie wischte sich die Finger an einer Serviette ab. Der Teller verzehrte gerade, was sie übrig gelassen hatte. Sie legte ihre mittlerweile saubere rechte Hand auf den Teller, ihre Finger in die Soßenreste. Die Soße wurde vom Teller aufgesogen wie von einem Schwamm. Es prickelte leicht in ihren Fingern. Sie hob die Hand und drehte und wendete sie. Sauber. Latil seufzte. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sagte: »Haku.« Keine Reaktion. Dann kam ein Ton so körperlich auf sie zu, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Ein Sprühnebel entstand beim Tisch, der das aus dem Nichts kommende Licht in ihrem Zimmer zu einer regenbogenfarbenen Wolke polarisierte. Im Zentrum dieser Wolke eine menschliche Gestalt. In dem langen und schmalen Gesicht große Augen. Stück für Stück schälte sich Haku aus seinem Regenbogenkokon heraus. Zwei Bälle, einer an jedem Handrücken. Als die Wolke völlig verschwunden war, sagte er: »Entschuldige. Ich war beschäftigt.«
    »Ich kann warten«, antwortete Latil. »Deine albernen Mondotricks sind mir viel unangenehmer. Seid ihr eigentlich alle so kindisch?«
    Haku zuckte zusammen. »Hast du eine Frage an mich?«
    »Wo ist mein Raumanzug?«
    »Wird gerade repariert«, sagte Haku, reichlich kurz angebunden, wie Latil fand. Eitel, dachte sie. Eitel.
    »Ich wusste gar nicht, dass er kaputt war.«
    »Ja, das wusstest du nicht.«
    »Das Lexikon?«
    »Wird auf den neuesten Stand gebracht.«
    »Das ist sehr nett von euch«, sagte Latil in ihrem frostigsten Tonfall. Sie würde das Lexikon zertreten, wenn sie es wieder zu Gesicht bekäme.
    Latil beugte sich vor. Sie schob den Teller auf der Tischplatte hin und her. Es war egal, wo sie anfing. »Was soll das eigentlich heißen, ›ein Kragen ist keine Maschine‹?«
    Haku schien diese Frage nicht besonders zu gefallen. Die Bälle bewegten sich langsam, aber stetig auf seine Ellenbogen zu.
    »Rechtlich gesehen«, begann er langsam, »sind sie Bürger.«
    »Bürger?«
    »Ja. Die Kragen und viele andere unserer ›Maschinen‹ sind Taan wie ich. Modifizierte Taan.«
    »Diese Kästen, die blauen Schaum versprühen, und die Halseisen sind Taan?«, fragte Latil eher ermüdet als entsetzt.
    »Du sagst es«, antwortete Haku. »Modifiziert.« Nach einer Pause fügte er hinzu. »Es ist für uns normal.«
    »Auch das noch«, entgegnete Latil. »Und ich dachte, ich kenne die Verzweiflung. Es gibt Leute, die mit mir in einem Universum leben und fliegende Halseisen für Menschen halten. Dieser Teller hier, ist der auch ein Taa?«
    »Nein. Das ist einfach ein Teller.«
    »Und warum kann er dann essen?«
    Haku lachte. Latil sah zum ersten Mal einen Taa lachen. Er wirkte wie ein Mensch. »Ihr würdet es Nanotechnologie nennen.«
    »Und wie nennt ihr es?«
    »Materielle Treue.«
    Latil seufzte. Sie befand sich in einer Prüfungssituation, bei der die Lehrer ihr so fremd waren, dass sie sie als verrückt ansehen musste. Es wurde ohnehin alles aufgezeichnet. Sie suchte nach den richtigen Fragen.
    »Warum lassen sich manche

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