Der Opal
Anzug schloss, fragte sie Latil lächelnd: »Willst du baden?« Dann streckte sie die Hand aus und zog Latil mit sich, ins Freie springend.
Latils Helm schloss sich erst im Fall. »Nein!«, sagte sie, schrie sie, brüllte sie, als Kea schon eingetaucht war.
Sie konnte kaum atmen, obwohl der Anzug tadellos funktionierte. Sie wollte nicht in einem tosenden Strudel nach unten gerissen werden, das lief ihrer Natur als Landlebewesen zuwider. Sie raste mit einer unglaublichen Geschwindigkeit nach unten, sofern sie noch darauf vertrauen durfte, dass der Sog in der ursprünglichen Richtung wirkte. Wenn sie auf Pasiphae zu langsam gefallen war, dann fiel sie hier zu schnell. Und sie wurde immer schneller. Gerade als sie sich fragte, ob es für diese Beschleunigung eine Grenze gab, passierte zweierlei. Sie brach durch die Unterseite des obersten Sees hindurch und ging in gewöhnlichen freien Fall über. Irgendjemand schrie ihr dabei in die Ohren »Nicht kämpfen!« Eine schwarze Fläche huschte durch ihr Sichtfeld. Als sie das ein paar Mal getan hatte und dabei immer kleiner geworden war, schloss Latil, dass es sich wohl um die Unterseite des Sees handeln musste. Wer immer mit ihr gesprochen hatte, sie wollte ihm antworten. Sie war aber über das ›M‹ in ›Halt’s Maul‹ noch nicht hinausgekommen, als sie in den nächsten See eintauchte. Kein Wasser. Große Kälte. »Nicht kämpfen.«
»-aul.« Beschleunigung. Zischen. Minus 12 Grad. Schwarzer Fleck. Grünes Maul. Und fallen. Und fallen. Latil verzichtete auf alle Vernunft und rollte sich im Flug zu einer kleinen fötalen Kugel zusammen; das machte sie noch schneller. Sie stürzte im Schatten des untersten Sees auf die falsch ausgeleuchtete Landschaft Linophrynes zu, aber selbst als sie aus diesem Schatten austrat, sah sie sie nicht, weil sie die Augen geschlossen hielt. Genau in diesem Moment wurde eine Erinnerung an den Hort wach. Die Augen ihres Vaters waren braun gewesen.
»Ich kann das nicht«, sagte Latil. »So leben«, fügte sie hinzu.
Haku schwieg. Sie sah sein feines Gesicht, eine sorgfältig zusammengesetzte Maske der Menschlichkeit, hinter der sich alles verbergen konnte, auch ein Mensch.
»Man lernt es!«, plapperte Eytarri drauflos. »Sieh mich an! Ich lebe jetzt fünfzehn Jahre hier und ich will nicht behaupten, dass ich die Taan verstehe, aber ich habe überlebt, nicht wahr? Ich kann hier leben!«
Er ruckte unruhig und unsicher auf seinem Stuhl hin und her. Er grinste sein dummes Grinsen.
Ich sehe dich an, und es macht mich krank, dachte Latil. Sie wusste ihm aber auch nichts entgegenzusetzen, also schwieg sie, obwohl sie sich mit leichter Übelkeit an Sodechs Schweigen erinnerte, als Eytarri ihn wegen des Vertrags belästigt hatte. Sie wollte nicht so sein wie Sodech, nicht einmal Eytarri gegenüber. Doch die üblen Gefühle, die die Erinnerung an Sodech in ihr wachrief, waren nichts, verglichen mit dem würgenden Elend, das die Würdigung der fliegenden Seen in ihr verankert hatte. Der Sturz, die rasende Beschleunigung, die Kälte, die grünen Wasser, die Bremsung durch die Membran, in die sie hineingefallen war. Ihre Befreiung aus dem Hautsack, den die Membran um sie herum gebildet hatte und in dem sie neben Kea wie ein Rotztropfen neben dem anderen unter der Nase eines Riesen gehangen hatte, über der falschfarbenen Landschaft Linophrynes. Keas triumphierendes Lächeln, Nidihanns Küsse. Kea hatte herablassend gesagt: »Alles nur Sport«, Nidihann hatte gesagt: »Überstanden!« Ihr eigenes unkontrollierbares Zittern, als sie bei der Rückkehr zur Fähre vor Keas Stiefeln gelegen hatte, ihre ausgekühlten Lippen, Nidihanns bösartiger Trost. Das rote Schillern über den Seen, als es Nacht geworden war über Linophryne. Die Kälte der Seen steckte ihr immer noch in den Knochen, obwohl sie nach den Seen die Würdigung abgebrochen hatte und schon seit einem Tag wieder auf der Passage englouti war. Den Rest der Würdigung hatte sie Kea und ihrem Gefolge überlassen, noch mehr davon hätte sie einfach nicht ertragen.
»Ich kann das nicht«, sagte sie, und ihre Stimme war gläsern, spröde.
Haku sagte immer noch nichts. Der summende Ton wechselte wieder einmal die Frequenz, damit man sich nicht an ihn gewöhnen konnte. Seit die Flotte Linophryne verlassen hatte, summte die Echo vor sich hin, jetzt schon zwei Stunden lang. Das Schiff befand sich immer noch in der Beschleunigungsphase. Man hörte das Summen überall, auf jedem Deck, in jeder
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