Der Opal
überhaupt nichts. Bald regnet es Symbionten, und dann kann es hier sehr unangenehm werden. Nicht direkt gefährlich, aber sehr unangenehm. Wir müssen uns zurückziehen.«
Latil genoss dieses Spiel, obwohl sie seinen Sinn klar durchschaute. Ihr wurde ein stimulierendes Abenteuer geboten, das nach den Exzessen auf Linophryne ein bisschen Entspannung bieten und gleichzeitig ihre Reflexe fit halten sollte. Es machte ihr nichts aus. Sie wollte mitspielen.
»Und Eytarri?«
»Muss selber sehen, wo er bleibt.«
»Was hast du ihnen gesagt?«
»Dass wir verschwinden. Komm jetzt. Vielleicht gabeln wir den Trottel auf dem Rückweg ja noch auf.«
Der Rückweg zur Kapsel wurde sehr beschwerlich, als die Symbionten zum Fressen herunterkamen. Zuerst wurde es dunkel, dann hörte Latil ein Prasseln auf den Blättern und Zweigen des Waldes, dann fielen, taumelten, glitten die Symbionten zu Boden wie übergroße Schneeflocken.
»Schließ deinen Helm«, sagte Haku, kurz bevor seiner zuschnappte, und Latil gehorchte ihm und fragte: »Warum?«
»Enzyme«, antwortete Haku nur.
Überall, wo Symbionten lagen, begannen sich braune Ringe um sie herum zu bilden. Unwillkürlich musste Latil an den Angriff auf die Echo denken.
»Fresser«, sagte sie, und Haku antwortete: »Ja. Man vermutet, dass sich die Fresser so entwickelt haben. Mutierte Symbionten.«
Jetzt lagen die Symbionten schon so dicht, dass man sie nicht mehr umgehen konnte, und die feinen, chitinartigen Segel, Fortsätze und Stabilisierungshäutchen knirschten unter den Stiefeln wie zu dünn geratene Schneckenhäuser, ein Übelkeit erregendes Geräusch. Eine kleine Erhebung am Boden, die schon fast gänzlich von Symbionten bedeckt war, erkannte sie als eines der Pattas, die Haku vorhin geschossen hatte. Sie erinnerte sich ungern daran, dass sie nach Hakus Aussage selbst schon von den ›sehr proteinreichen‹ Symbionten gegessen hatte, ohne es zu ahnen. Nicht alle Symbionten fielen zu Boden, viele blieben in den Zweigen hängen und fingen dort an zu fressen. Vor ihren Augen wurden die Bäume kahl gemacht. Sie fragte sich, ob Eytarri schlau genug war, seinen Anzug zu schließen, und wenn ja, ob der Anzug auch hielt. Die Passage englouti hatte ihn zwar inzwischen repariert, hatte aber keine Garantie darauf geben wollen, dass er dicht war; dafür war er einfach zu alt.
»Was ist mit den Waldleuten?«, fragte sie Haku.
»Was soll mit ihnen sein?«
»Sie haben keine Anzüge. Und ihr Wald wird gerade kahl gefressen.«
»Kurz bevor die Symbionten heruntergekommen sind, sind sie sehr müde geworden. Sie schlafen jetzt in Höhlen, die ihrer Religion zufolge von ihrem größten Gott gemacht worden sind, damit sie sich darin vor dem ›Giftregen‹ verstecken können. Wenn die Symbionten gefressen haben und wieder aufgestiegen sind, regeneriert sich der Wald sehr schnell. In ein paar Stunden ist er wie neu. Die Waldleute danken dafür den Göttern, indem sie ein Patta vierteilen und es über einem offenen Feuer rösten.«
Haku war in einen Laufschritt gefallen, der hier zwischen den Bäumen und auf dem symbiontenbedeckten Moosboden schwer durchzuhalten war, und mehr als einmal wäre Latil beinahe vor einen Baum gelaufen. Zwar standen die Bäume hier in größeren Abständen als dort, wo sie die Siedler getroffen hatten, aber die dicke Schicht von pulverleichten Chitinhäutchen, mit der der Boden überzogen war, erschwerte das Laufen erheblich. Die flachen Gehäuse wurden von ihren Stiefeln zu einer Masse zermahlen, in der sie nur schwer Halt fand, ähnlich wie in lockerem Muschelsand. Deshalb war Latil zunächst gar nicht so erstaunt, als Haku hinfiel. Erst als sie ihm beim Aufstehen helfen wollte, fielen ihr der leblose rechte Arm, das verkohlte Loch in seiner Schulter und sein blankes Gesicht auf, in dem sich langsam der Schmerz breit machte. Sie verstand immer noch nicht, was geschehen war. Es war merkwürdig still um sie herum, wenn man von dem leisen Rascheln, Knistern und Knirschen absah. Zum Glück fielen nicht noch mehr Symbionten aus dem Himmel, die Sicht war wieder passabel.
»Entschuldigung«, sagte eine bekannte Stimme hinter ihr.
»Komm schon raus, du Vollidiot«, antwortete sie kühl.
Eytarri zitterte immer noch. Sein Anzug hatte scheinbar dicht gehalten. Er hielt die Waffe so, dass sie ihm ins Gesicht geschossen hätte, wäre sie aus Versehen losgegangen.
»Ich dachte, ihr wärt welche von denen«, antwortete er lahm, wie ein Kind, das Strafe
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