Der Opal
Linophryne, aber man spricht nicht so gern darüber wie zum Beispiel über die Seen.«
»Hunde?«, fragte Latil träge und wusste nicht, ob sie zu mehr Interesse verpflichtet war.
»Es gibt sie nur hier und auf Umbriel. Sie waren schon da, als wir herkamen. Ureinwohner. Wolfgroße Nachtaktive, für normales Licht blind, aber infrarotsichtig. Sie jagen das andere Niederwild, ›Springer‹, ›Ratten‹, ›Igel‹. Und Taan.«
»Was heißt bei euch schon ›Nacht‹? Es wird ein bisschen dunkler, das ist alles. Ihr wisst ja gar nicht, was eine Nacht ist. Dieses milchige Dunkelblau. Und diese Hunde jagen euch?«
»Ja. Sie überfallen Dörfer, Außenposten und abgelegene Forschungsstationen. Tagsüber rollen sie sich in Erdlöchern zusammen, und wenn es Nacht wird, kriechen sie hervor. Sie brauchen es nicht sehr dunkel. Der Unterschied zum Tageslicht reicht ihnen völlig. Widerliche Biester. Nach Einbruch der Dunkelheit muss man sich vorsehen.«
»Sympathische Tiere«, sagte Latil aus purem Trotz. Ihr Magen revoltierte. Sie schwitzte.
Haku war ganz in sein Thema vertieft. »Sie werden dreister. Man hat jetzt Rudel von ihnen in den Außenbezirken der Hauptstadt gesehen, das ist auch noch nie vorgekommen. Auf Umbriel genau das Gleiche.«
Latil sah es ein und übergab sich. Der Fleck auf dem Boden war ihr gleich sympathisch. Man konnte nicht durch ihn hindurchsehen. Alle starrten sie an.
Als sie über den fliegenden Seen schwebten, fühlte sie sich schon wieder viel besser. Die Fährboote, durchscheinende Kugeln, waren aufgestiegen wie Schaum. Kea hatte ihr mitleidig etwas zu trinken gegeben, aus einem kleinen blauen Flakon, das sie immer mit sich zu führen schien. Die Taan, die die Boote steuerten, saßen still da und starrten ins Leere. Wenn sie sich äußerten, klang es wie Affengeschnatter.
»Was ist das?«, fragte Latil, und Kea antwortete: »Sie rechnen.«
Der Flug in einer Seifenblase über die hell angestrahlte Oberfläche Linophrynes war genauso unangenehm wie die Fahrt in der Röhrenbahn. Sie nahm einfach an, dass sie durch das Getränk oder das Medikament aus Keas Flakon vor Übelkeit geschützt war. Das wirkte.
»Was habe ich da vorhin getrunken?«
»Essenz.«
»Essenz von was?«
»Essenz, weiter nichts. Wenn du ›Essenz‹ sagst, weiß jeder im Opal, was gemeint ist. Da vorne, schau! Die Seen.«
Latil war mittlerweile wieder so gut gelaunt, dass sie noch eine Weile weitergebohrt hätte, wäre dazu die Zeit gewesen. Aber weil jeder um diese fliegenden Seen so ein Aufhebens gemacht hatte, wollte sie selbst sehen, ob sie das wert waren. Das Vorzeige-Weltwunder Linophrynes machte aus der Entfernung nicht viel her. Wasserlinsen, von der Seite betrachtet, die per FET in der Luft gehalten wurden. Erst als die Boote näher kamen, erkannte sie, wie gigantisch diese Wasserlinsen waren. Die Echo hätte darin baden können. Als das Boot zwischen den Seen hindurchflog, schnatterten die Taan am Steuer häufig; hier zu manövrieren schien nicht ganz einfach. Direkt unter den Seen herrschte stockdunkle Nacht, ein bis zwei Kilometer Wasser filterten selbst das Licht Linophrynes so zuverlässig wie schwarzes Tuch. Sie flogen so dicht unter einem der Seen entlang, dass Latil im Licht der Scheinwerfer die riesigen Wellen sehen konnte, die der Wind an seiner Unterseite bildete. Sie war dankbar, genug Essenz getrunken zu haben. Auf diese Weise konnte sie die Idee ertragen, in einer Seifenblase unter Millionen Kubikmetern luftig aufgehängten Wassers herzufliegen. Sie stiegen höher, bis die leicht gekrümmte Oberfläche des am höchsten fliegenden Sees unter ihnen lag. Wasser bis zum Horizont. Blauschwarzes Wasser mit weißen Schaumkronen. Selbst von hier oben sah das Wasser sehr kalt aus. Ein schmale Fläche in der Bootswand öffnete sich und Kea warf einen kleinen Gegenstand hinaus, allem Anschein nach das Essenzflakon, aus dem Latil vorhin noch getrunken hatte. Schon dass der Aufschlag des winzigen Gegenstands auf der Oberfläche des Sees sichtbar war, kam Latil grotesk vor, aber was danach geschah, spottete jeder Beschreibung. Ein Strudel bildete sich an der Stelle, an der das Flakon eingetaucht war, vergrößerte sich rasend schnell zu einem breiten Wassermaul, dessen rotierende Innenwände grün schäumten, und setzte allmählich seine ganze Umgebung in Bewegung. Das Fährboot stand genau lotrecht über dem Strudel. Die Mannschaft schnatterte ohne Pause.
Bevor sich Keas Helm über ihrem stacheligen
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