Der Opal
Haku benutzte, um die Erscheinung auf seine Handfläche zu zaubern.
»Süß«, sagte sie ironisch.
»Beute«, antwortete er grinsend.
Dann rannten sie los, Eytarri hüpfend hinter ihnen her.
Zwei Stunden später war Latils Aufregung verschwunden. Sie hatte keines der Pattas erwischen können, während Haku drei oder vier von ihnen zur Strecke gebracht hatte. Klare Schüsse, mitten durch den Körper der Tiere hindurch, die Schusskanäle völlig verkohlt durch die enorme Energie, die sie ins Fleisch gefräst hatte. Haku hatte die Beute liegen lassen. Das Abfeuern der Stabwaffen hatte eine Zeit lang Spaß gemacht, aber als sie wieder und wieder nichts getroffen hatte, war es Latil doch langweilig geworden. Eytarri hatten sie unterwegs verloren, und während ihnen das zunächst gar nicht aufgefallen war, wurde Haku nach einiger Zeit unruhig. Schließlich sagte er mit einer Bestimmtheit, die keinen Widerspruch duldete, dass Eytarri gesucht werden müsse. Sie trottete missmutig hinter Haku her. Die Bäume standen hier dichter als an dem Bach, wo sie gelandet waren. Das Licht war anders. Die Unruhe Hakus übertrug sich auf sie, und sie fragte sich, warum er flüsterte, wenn er mit ihr sprach. Er schaute manchmal zum Himmel auf, der durch das dichte Laubwerk ohnehin nicht sichtbar war. Haku schlüpfte leicht und vorsichtig zwischen den Bäumen hindurch, aber erst als ihr aufging, dass das Schiff seit einer geraumen Weile nicht mehr summte, verstand sie, warum das Benehmen Hakus sie beunruhigte. Er bewegte sich nicht mehr wie ein Jäger. Er bewegte sich wie Wild. Wenn das noch ein Spiel war, dann bemühte er sich um größtmögliche Lebensechtheit. Latils Intuition sagte ihr, dass Hakus Vorsicht nicht grundlos war. Sie fühlte sich beobachtet und wusste nicht, von wem.
»Warum rufen wir nicht nach Eytarri?«, fragte sie halblaut, und Haku legte einen behandschuhten Zeigefinger auf seine Lippen.
Die kleine Lichtung vor ihnen wurde von dem diffusen Licht beschienen, mit dem das Schiff die Wälder ernährte. Als ein Rudel vorsichtig in der Luft herumschnüffelnder Pattas die Lichtung überquerte, zielte Latil auf sie, aber Haku legte seine Hand auf ihre Waffe. Latil hätte vor Überraschung beinahe in den Boden geschossen. Bevor sie sich beschweren konnte, sah auch sie den Mann auf der anderen Seite der Lichtung. Es war nicht Eytarri. Er war groß, schlank, glatt rasiert, nach Art und Benehmen eindeutig ein Taa, aber sehr seltsam gekleidet. Er sah eindeutig nicht wie jemand aus, der auf einem Raumschiff lebt. Die figurbetonten Allroundanzüge, die sonst im Opal den Ton angaben, hatte dieser Mann durch Hemd und Hose ersetzt, einen Aufzug, den Latil seit Jahren nicht mehr gesehen hatte und der sie sofort an ein Habitat im Krebsnebel erinnerte, das sie vor Jahren einmal besucht hatte. Vegetarier, in all ihrer künstlichen Natürlichkeit so sanft wie der Hort, freundliche Leute, gute Köche, für Latil ein Grauen. Jardin Marengo. So hatte das Habitat geheißen.
Der Mann ging barfuß. Er lief auf die Lichtung. Trotz seiner typischen Vegetarierkleidung machte er keinen entspannten Eindruck. Man konnte meinen, etwas störe ihn. Haku begann zu singen. Tiefe Tonsequenzen, die zum Ende hin sehr rasch einige Intervalle hochsprangen und in vogelartigen Trillern ausliefen. Latil bemerkte, dass er seinen Gesang mehrfach wiederholte. Der Mann war inzwischen stehen geblieben und hob eine Hand. Auf dieses Zeichen hin traten aus dem Schatten der Bäume andere wie er, Latil zählte in einem raschen Rundumblick etwa zwei Dutzend. Alle trugen die gleiche Kleidung. Alle wirkten misstrauisch und unfreundlich. Latil war voll da. Sie packte ihre Waffe fester. Das versprach noch spannend zu werden. Vielleicht konnte sie auf dieser Jagd noch ein paar Vegetarier erlegen, wenn sie schon kein Patta erwischt hatte. Hakus Gesang endete abrupt und er drehte sich zu ihr um.
»Das sind Siedler«, flüsterte er. »Die Echo fand es amüsanter, ihre Wälder nicht nur mit Tieren, sondern auch mit Menschen zu besiedeln, und diese Leute hier leben in der Illusion, sie seien die Ureinwohner dieses Gebiets. Sie verstehen nicht einmal unsere Sprache. Sie kennen den Opal nicht. Für sie sind wir Besucher, die im Repertoire ihrer Kultur zwar vorkommen, aber nicht gern geduldet werden. Frag mich nicht, was sie über uns denken. Frag mich nicht, was die Echo mit ihnen vorhat, oder warum sie mit ihnen dieses kulturelle Experiment anstellt. Frag mich jetzt lieber
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