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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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kommen noch welche«, damit die anderen ihre Waffen anlegten und auf die Quallen schossen. Wenn die Wesen getroffen wurden, verloren sie ihre Transparenz, wurden schwarz und massiv wie Gesteinsblöcke, leuchteten kurz auf und zerplatzten dann in einem Regen aus heißem metallischem Schrapnell, das die Panzeranzüge gerade noch abwehren konnten. Die Splitter zerkratzten das Visierglas so, dass die Schrammen das Licht polarisierten. Angestrahlt von einer Lichtquelle wie der Tunnelöffnung erzeugten die Kratzer tausend kleine verrückte Regenbogen. Sie waren schon in die violett fluoreszierende Hölle des Tunnels eingedrungen, als Haku die Plattformen zum Stehen brachte.
    »Wer fehlt?«, rief er. Sechs fehlten. Als das geklärt war, schrie er »Verstärker!«, und alle Soldaten schraubten kurze schwarze Zylinder an die Kolben ihrer Gewehre. Eytarri gab ihr auch einen, er sagte: »Vorsicht damit.« Sie schob den schwarzen Zylinder in die dafür bestimmte Rundung am Kolben ihres Gewehrs, hörte ihn einrasten und drehte kräftig im Uhrzeigersinn bis zum Anschlag. Der ständige Funken, der die Strecke zwischen den beiden Gabelenden an ihrem Gewehr übersprang, war jetzt grün. Die Reparaturautomatik des Anzugs hatte das Visierglas wieder eingeebnet. Langsam bewegten sie sich durch das krankmachende Licht.
    »Schießt auf alles, was sich bewegt«, sagte Haku kühl. Latil brach der Schweiß aus. Die zweite Welle von Quallen war noch recht weit entfernt, als sie in Fetzen geschossen wurde. Weil es Spaß machte, sich zu rächen, hielten alle noch ein wenig länger drauf. Wo sie trafen, bildeten sich schwarze Kreise in den violetten Flächen, die sich wie Wellen in einem Teich ausbreiteten. Bald war der ganze Tunnel eine flackernde Wildnis aus einander überlagernden violettschwarzen Farbwellen. Latil machte mit, machte mit, machte mit. Befreiend, so ein zünftiges Geballer, wenn man bis dahin den Feind nie zu Gesicht bekommen hatte. Eytarri legte ihr schließlich eine Hand auf den Arm und brüllte ihr in die Mikrofone: »Energie sparen!« Er musste es zweimal brüllen, bis sie ihn verstand, so laut war es um sie herum. Entladungen, violettschwarze Blitze, Gebrüll. Angstlust, Testosteron, Adrenalin.
    Ein paar Sekunden später stoppte Haku die allgemeine Ballerei. Eine einsam vorbeischwimmende Qualle wurde diszipliniert vernichtet, ihre Splitter verletzten jedoch einen Soldaten so schwer, dass er von nun an liegen musste. Zehn von hundert, dachte sie nüchtern. Sie schämte sich ein wenig, so hemmungslos ihren primitiven Racheimpulsen gefolgt zu sein. Der Tunnel war endlos. Stille senkte sich über alles, und man hörte die Verletzten leise stöhnen. »Der Hals des Tieres«, sagte Eytarri zu ihr. Und sie flogen in der violetten Hölle dahin. Sie hätte gern ein Glas Wasser getrunken. Ein simples Glas Wasser war im Moment so unerreichbar wie das nächste Universum. Als sie plötzlich aus dem Tunnel herauskamen, mussten sich ihre Augen erst wieder an das veränderte Licht gewöhnen.

Der Meister
     
    Wenn der Tunnel trotz seiner gewaltigen Ausmaße durch das violette Licht eine besonders ekelhafte Form von Klaustrophobie hervorgerufen hatte, dann schockierte die Halle, in die er sie ausgespuckt hatte, auf andere Weise. Man konnte schwer schätzen, wie hoch sie war. Es sah aus, als sei sie zum Weltraum hin offen – über die ganze Breite und Höhe der Halle zeigte ein unfassbar großes Fenster die sternübersäte Schwärze des tiefen Raums, das Licht einer nahen Sonne fiel von links herein. Erst als sich Latil daran erinnerte, dass sich auch die ST im Innern des Großen Begleiters befand, erkannte sie das gigantische Fenster als das, was es wirklich war: ein Bildschirm. Oder steckte die ST ihren Kopf aus dem hohlen Mond heraus, wie eine Schildkröte aus ihrem Panzer? Das sind die Ideen eines desorientierten Geistes, rief Latil sich zur Ordnung. Bis auf eine Art Faden, der anscheinend Boden und Decke der Halle miteinander verband und an dem sich seltsame Strukturen bewegten, wirkte die Halle fast leer. Der Faden verlor sich in einer lockeren Wolkenschicht, die unter der Hallendecke stand wie der kondensierte Atem eines Riesen. Beim Näherkommen entpuppte sich der Faden schnell als eine massive graue Achse, die gut und gerne fünfzig Meter dick sein mochte. Um diese Achse herum rotierten Scheiben von einer zunächst nicht schätzbaren Dicke. Diese Scheiben waren übereinander gestapelt wie gigantische Münzen und in

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