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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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die Soldaten auf den Plattformen, die verstreuten Waffen der Toten bildeten unlesbare Muster. Es mussten Hunderte sein. Bewegung zwischen den Toten. Latil erkannte ganze Schwärme von Vögeln, die zwischen ihnen herumliefen, herumhüpften und auf die großen Wunden, die furchtbar zugerichteten Gesichter einpickten. Manche der Vögel stritten sich um Fleischfetzen, die sie abgezupft hatten, andere steckten ihre Köpfe bis zum Flügelansatz in weit aufgerissene Kadaver und kamen mit einem blutbeschmierten Federkleid wieder hervor. Freifliegende Vögel in einem Raumschiff, dachte Latil. Ganz was Neues. Als die Plattformen näher kamen, erhoben sich einige Vögel in die Luft und begannen über den Kadavern zu kreisen, einer der Soldaten verlor die Nerven und begann auf sie zu schießen. Andere machten es ihm nach, und erst einige Salven später bekam Haku die Situation wieder unter Kontrolle.
    »Aufhören!«, schrie er. »Sofort aufhören! Das sind Mondos! Das sind alles Mondos! Riecht ihr was? Trefft ihr was?«
    Latil, die drauf und dran gewesen war, selber an dem Scheibenschießen teilzunehmen, sah erst jetzt in ihren Visierkontrollen nach, und dort leuchtete rot eine Warnmeldung auf: »Sensorwiderspruch!« Das bedeutete in der Regel, dass das, was der Anzug sah, mit dem Rest des Sensorinputs nicht übereinstimmte, ergo, dass jemand Mondos benutzte, um Trugbilder zu erzeugen.
    »Report«, sagte Latil leise.
    »Kein Gestank«, antwortete der Anzug genauso leise. »Bei so vielen Leichen müsste ich etwas riechen, aber die Luft hier ist so sauber wie sonst nirgends auf dem Schiff. Die Leichen sind nicht da und die Vögel auch nicht.«
    Eline gab sich Mühe, das musste man ihm lassen. Vom rein künstlerischen Standpunkt her war diese Inszenierung ein Meisterwerk gewesen. Sie verschwand, noch während sie darüber hinflogen. An den Wänden immer noch der Plan der Stadt. In diesem Streckenabschnitt flackerte auf dem Plan manchmal geisterhaft eine Fläche auf, um gleich darauf wieder zu erlöschen. Teile des Plans bewegten sich unvorhergesehen für eine Sekunde, dann erstarrten sie wieder. Es sah aus, als versuche eine sich selbst überlassene Maschinerie immer noch ihre Aufgabe zu erfüllen, ohne sich der Tatsache bewusst zu sein, dass die Aufgabe entfallen war. Dem Plan hatte noch niemand gesagt, dass das Schiff die Stadt erst entvölkert und später komplett zerstört hatte. Das Nervenzucken der toten Apparatur machte Latil krank.
    Und dann waren sie da. Im Zentrum der Scheibe, im Fruchtkorb der Blüte. Obwohl der Saal nicht die üblichen Taan-Dimensionen hatte, wirkte er sehr groß, weil er leer war. Ganz im Zentrum saß jemand, das konnte sie schon von weitem sehen, und neben dem Sitzenden stand eine zweite, kleinere Figur. Der Boden um die beiden herum war mit Müll übersät. Haku ließ die Plattformen langsam auf die beiden zugleiten, ein ganzes Geschwader von Kameras verteilte sich im Saal, dessen angenehme Beleuchtung selbst in der großen Leere um sie herum einen Anschein von Sicherheit, Gemütlichkeit, ja Geborgenheit erzeugte. Es war gerade der Widerspruch zwischen der angenehm indirekten Beleuchtung und den zwei verloren wirkenden Gestalten in der Mitte des Saals, der Latil verwirrte. Sie hatte einen Kloß im Hals. Je näher sie den beiden kamen, desto dicker wurde er. Auf zehn Meter Entfernung wurde ihr klar, warum: Sie kannte die beiden. Den Sitzenden hatte sie schon hundertmal, schon tausendmal gesehen. In ihren frühen Träumen im Hort war sein glattes, schönes Gesicht immer wieder aufgetaucht, die blonden Haare sauber und adrett gescheitelt, volle Lippen, jugendlicher Teint, nahezu perfekte Symmetrie. Ein Dutzendgesicht aus dem Fleischgenerator, wären da nicht die Augen gewesen: Die Augen eines Tieres aus einer anderen Welt. Sie hatten Löcher in die perfekte und allzu angenehme Oberfläche hineingebrannt. Die Augen hatten vor Alter geglüht. Mehr Zeit als bei irgendjemandem sonst. Mehr Erfahrung. Mehr Schmutz. Und genauso war es jetzt. Der Unbekannte, der da saß, war der Unbekannte aus ihren Träumen.
    Eline, dachte sie mit einer trockenen Sicherheit, die ihr gleichzeitig Schwindel verursachte. Er sah sie an, ohne zu blinzeln. Neben ihm das Kind, das im Krankenzimmer der Passage englouti aufgetaucht war, als Eytarri auf Haku geschossen hatte. Das Kind war genau wie damals bis auf eine kurze Hose nackt. Es trug ein seltsam geformtes Messer in der Hand, dessen lange, schmale Klinge in einer blattförmigen

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