Der Orden
bis fünfzehn trugen uns einige Diskussionen ein, denn sie waren in den Ruinen eines runden mittelalterlichen Turms verstreut, der in einem Garten im Schatten des Museums stand. Wir latschen über den grasbewachsenen Boden zum Wasser und zurück und versuchten dabei, aus den seltsamen kleinen Karten schlau zu werden, die uns angeblich zeigten, wie man von einer Tafel zur nächsten gelangte.
Tafel Nummer vierzehn befand sich auf einem Friedhof, der sich als eine kleine Oase des Friedens erwies, abseits des unablässigen Verkehrslärms. Wir setzen uns auf eine Bank mit Blick auf einen rechteckigen, mit Beton eingefassten Teich. Die Mauer mit ihren komplexen Schichten mittelalterlicher Überbauungen führte am gegenüberliegenden Ufer entlang und an den Überresten eines runden Festungsturms vorbei. Ich hatte zwei Flaschen Evian mitgebracht; eine davon reichte ich Linda. Was die Schuhe betraf, hatte Linda Recht gehabt. Mir taten jetzt schon die Füße weh.
»Weißt du, ich hatte mal so ein Spielzeug«, sagte ich. »Eine Burg. Sie war aus Plastik, mit einer Grundplatte, auf der man zylindrische Türme und Mauerstücke befestigen konnte, und einer Zugbrücke, auf der kleine Ritter ein und aus ritten.«
Sie blätterte den Führer durch. »Ich kann nicht glauben, dass du die Tafeln, die wir gefunden haben, tatsächlich abhakst. Du bist ja dermaßen pingelig.«
»Ach, hör schon auf, Linda«, blaffte ich zurück. »Wenn du abbrechen willst…«
»Nein, nein. Ich weiß ja, wie du dann wieder jammerst.« Das war der Code dafür, dass ihr die kleine Expedition irgendwie Spaß machte. »Na komm.«
Wir gingen weiter.
Während wir die Tafeln rückwärts abzählten, kamen wir an den Stätten verschwundener Stadttore vorbei und entdeckten weitere versunkene Gärten, die abseits der Straße lagen, wie Inseln der Vergangenheit. Doch als wir die Moorgate entlang gingen, waren die Tafeln weniger interessant; die Abstände zwischen ihnen waren größer, und sie waren an den Mauern von Bürogebäuden angebracht. Die Moorgate selbst war eine geschäftige Mischung von Läden und Büros, und wie immer fanden gerade umfangreiche Sanierungsmaßnahmen statt. Wir mussten uns auf provisorischen Gehsteigen Furcht einflößend nah am unablässigen Verkehr um blau gestrichene Sichtschutzwände herumzwängen, während einschüchternde Kräne über uns aufragten.
Eine der hübscheren Stätten war ein weiterer kleiner Gartenbereich in der Nähe des Eingangs zur All Hallows Church: Büroangestellte saßen mit abgelegten Jacketts herum und rauchten, und ihre Handys glitzerten neben ihnen im Gras wie zahme Insekten. Aber die Tafel – Nummer zehn – fehlte an ihrem Sockel, wahrscheinlich war sie schon vor langer Zeit mutwillig zerstört und nicht mehr ersetzt worden. Nummer neun war ebenfalls weg, und Nummer acht schien der Sanierung zum Opfer gefallen zu sein. Ich konnte nur frustrierend wenige Häkchen in mein Büchlein machen. Der Rundgang selbst war 1985 entwickelt worden, sodass die Zeit und die Entropie inzwischen schon ihre geduldige Arbeit begonnen hatten, sogar an den Tafeln.
Ich fragte: »Also, warum wolltest du mich sehen?«
Die Augen unter ihren Ray Bans verborgen, zuckte sie die Achseln. »Ich dachte einfach, ich sollte es tun. Jacks Tod… ich wollte sehen, ob du damit fertig wirst.«
»Das ist nett von dir.« Ich meinte es ernst. »Und zu welchem Schluss bist du gekommen?«
»Ich schätze, du bist gesund. Du hast immer noch diesen verdammten Dufflecoat, und dein Schließmuskel ist so fest zugekniffen wie eh und je.« Sie drehte sich zu mir. Ich konnte ihre Augen sehen, die sich in den Schatten ihrer Brille unruhig bewegten. »Was mir Sorgen macht, ist diese Suche nach deiner mythischen Schwester.«
»Wer hat dir davon erzählt?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Das findest du bestimmt auch pingelig.«
Während wir uns Aldgate näherten, gelangten wir in den Finanzbezirk der City, jenes Gebiet, in dem ich einen so großen Teil meines Arbeitslebens verbracht hatte. Zu dieser Tageszeit, am späten Nachmittag, wimmelte es auf den Bürgersteigen von größtenteils jungen und lebhaften Menschen; viele von ihnen drückten sich Handys ans Ohr oder verdeckten mit ihnen ihr Gesicht. Es war wirklich ein seltsames Gefühl, der Mauer, diesem mehrschichtigen Relikt der Vergangenheit, durch einen Stadtteil zu folgen, der so stark mit meiner eigenen Vorgeschichte verknüpft war.
»Also, was hast du vor?«, fragte sie mich. »Fliegst du nach
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