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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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langen, zurückgebundenen Haaren und schweren Schnurrbärten, aufgehäuft wie Kohlköpfe an einem Marktstand, Köpfe mit weißen, nach oben verdrehten Augen und gelbweißer oder gar grüner Haut. Hinter dem Karren, mit einem um die Hände geschlungenen Seil daran festgebunden, ging ein Gefangener her, ein großer, schwerer Mann mit einem goldenen Torques um den Hals. Seine Gesichtshaut war aufgerissen und von Blut und Staub verkrustet. Offensichtlich war er den ganzen Weg vom Schauplatz seiner Niederlage bis hierher geschleift worden, denn er taumelte.
    Frauen und Kinder liefen den Hang vom Dunon hinunter, begierig auf Nachrichten von ihren Männern, Brüdern und Vätern. Regina blieb, wo sie war, unmittelbar vor dem Tor. Es war wie etwas aus der Vergangenheit, dachte sie staunend, ein Heer aus der Zeit vor vier-, fünf- oder sechshundert Jahren, eine Streitmacht, wie sie einst den Caesaren gegenübergestanden haben musste.
    Dennoch hatte Artorius große Veränderungen vorgenommen. Für jene alten Celtae-Streitmächte war der Kampf ein Ritual gewesen. Heere waren gegeneinander aufmarschiert, hatten ein großes Getöse und ein kunstvolles Schauspiel veranstaltet, aber nur kleine Gruppen von Kriegern waren in den eigentlichen Kampf geschickt worden. Und sie hatten sich keine langen Feldzüge leisten können: Die aus ansässigen Bauern rekrutierten keltischen Armeen waren gezwungen gewesen, sich aufzulösen, wenn die Ernte eingebracht werden musste. All das hatte sich ändern müssen, als die Römer mit ihrem Hang zur offenen Feldschlacht mit endgültigem Ausgang auf den Plan getreten waren. Die Celtae hatten rasch die Techniken langer Feldzüge und massenhaften Abschlachtens gelernt.
    Jetzt waren die Römer fort, aber ihre Lehren hatten Bestand. Artorius war beharrlich gewesen. Er hatte Regina sogar nach ihren Erinnerungen an Aetius’ Erzählungen über die comitatenses ausgefragt. Nun waren Artorius’ Krieger eine effektive, mobile Kampftruppe, die ebenso wie die Römer eine offene Feldschlacht schlagen und einen den ganzen Sommer dauernden Feldzug durchführen konnte.
    Artorius’ Praktiken waren jedoch in zunehmendem Maße von einer primitiven Dunkelheit durchzogen.
    Regina kannte die alten Überzeugungen, die von Myrddin und anderen hergebetet wurden. Den Kopf des Feindes an sich zu nehmen bedeutete, seine Seele zu besitzen; spießte man diese Sachsenköpfe also auf Pfähle um die Mauern der Hügelfestung, so würden ihre Seelen die Gefahr fern halten. Regina wusste nicht genau, wie viel Artorius davon glaubte, aber sie sah, dass er die Symbolik gegenüber Freund und Feind gebrauchte, um seine Siege zu zementieren.
    Regina wohnte bei Barbaren und war die Geliebte eines Kriegsherrn. Aber damit konnte sie leben, bis – wie sie sich stets einredete – wieder Normalität einkehrte und der Kaiser mit seinen Legionen zurückkam, um die sächsischen Marodeure hinwegzufegen, die kleinen Königreiche der Einheimischen aufzulösen – auch das von Artorius – und die römische Würde und Ordnung wieder herzustellen, sodass ihr diese kurze und blutige Phase irgendwann nur noch wie ein böser Traum erscheinen würde.
    Und hier kam der riothamus selbst, an der Spitze seines Heeres.
    Am Tor umarmte Artorius Regina. Er schwitzte, sein Harnisch war abgestoßen, und sie roch den Gestank seines Pferdes. »Wir haben große Siege errungen, meine Morrigan. Überall liegen die Sachsen erschlagen, oder sie laufen beim Klang unserer Trompeten davon. Sie ziehen sich in ihre Festungen im Osten zurück, aber nächstes Jahr vielleicht…«
    »Deine Taten werden noch tausend Jahre überdauern, riothamus.«
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Du klingst wie Myrddin. Allerdings höre ich da ein ›Aber‹ in deiner Stimme…«
    »Aber deine Sammlung abgeschlagener Köpfe hätte Vespasian entsetzt.«
    Seine Miene umwölkte sich. »Die Caesaren sind nicht hier. Sie haben uns den Sachsen überlassen. Ich tue, was ich tun muss. Allerdings…« Artorius drehte sich nachdenklich um und blickte nach Osten, wo Europa und das restliche Imperium lagen. »Vielleicht sollten wir jetzt, wo wir stark sind, in der Tat Pläne schmieden, was wir wegen der Caesaren und ihrem Verrat an Britannien unternehmen wollen.«
    Sie sah ihm forschend ins Gesicht, erschrocken und unsicher; sie hatte ihn noch nie von solchen Plänen reden hören. Er aber war in seine ausufernden Gedanken von künftigen Schlachtfeldern versunken.
    Einer seiner Leutnants kam zu ihm. »Wir sind

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