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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Informationen wie durch Schwertklingen in die Lage versetzt worden waren, ein solch gewaltiges Gebiet zu erobern und zu halten: nicht nur militärisches Wissen, sondern auch Aufzeichnungen über Vermögen und Steuern, Zahlungen und Ersparnisse, gesammelt von den Beamten in den Städten und weitergeleitet vom cursus publicus auf dem Straßennetz, das ebenso sehr zur Beförderung von Nachrichten und Aufzeichnungen wie von Soldaten erbaut worden war.
    Es war ihr nicht schwer gefallen, Artorius davon zu überzeugen, dass sie damit Recht hatte. Ihre allerersten Versuche, eine Form der Buchhaltung einzuführen, trugen rasch Früchte, indem sie unbezahlte Zehnte und ungerechte Abgaben aufdeckte. Seitdem gewährte er ihr alle Zeit und alle Hilfsmittel, die sie benötigte.
    Sie hatte Schüler bei ihrer Arbeit – sie zumindest war nicht eifersüchtig besorgt um ihr Wissen. Sie brachte ihren Schülern Lesen und Schreiben bei und lehrte sie, wie man in der Beweisführungstradition des römischen Systems argumentierte und analysierte. Die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben war ihr sehr wichtig. Es erschreckte sie besonders, dass die meisten Sachsen nicht lesen konnten. Aufzeichnungen und Literatur waren das Gedächtnis der Menschheit: Falls es den Sachsen jemals gelang, diese Festung einzunehmen, würde Reginas Vergangenheit wirklich verloren sein, und zwar für immer.
    Abgesehen von ihren einsamen Momenten mit dem Kalender war dieser kurze Rundgang zur Bestandsaufnahme der angenehmste Teil ihrer täglichen Routine. Sie vergaß nie, dass die Erzeugnisse der ganzen emsigen Arbeit im Dunon primitiv waren, verglichen mit dem Warenangebot selbst der armseligsten Städte in der alten Zeit, als die den ganzen Kontinent umspannenden Handelswege noch offen gewesen waren, und dass es hier kaum etwas gab, was nicht an Ort und Stelle angefertigt worden war. Aber sie hatte einen weiten Weg zurückgelegt, seit sie – noch vor ein paar Jahren – den Schutt verlassener Villen auf der Suche nach Eisennägeln für ihre Schuhe durchkämmt hatte. Regina fühlte sich wie auf einer Insel oder in einem Hafen, wo sich die Zivilisation inmitten all der Verwüstungen, die der Zusammenbruch des Landes mit sich gebracht hatte, allmählich erholte.
     
    Brica kam mit schnellen Schritten auf ihre Mutter zu und küsste sie auf die Wange. Sie setzten sich zusammen auf die Bank.
    »Ich habe dein Gespräch mit Myrddin mit angehört«, sagte Brica. »Dieses alte Ungeheuer versucht dich jeden Tag lächerlich zu machen.«
    Regina zuckte die Achseln. »Ich kann ihn nicht ernst nehmen, nicht mit so einem Bart.«
    Brica prustete los. »Aber in seinem Handwerk kennt er sich aus. Ich glaube, er hasst es einfach, überwacht zu werden.«
    In Reginas Augen legte Brica erschreckend wenig Interesse an den Feinheiten menschlicher Beziehungen an den Tag. »Daran liegt es nicht«, sagte Regina langsam, während sie die Hände ihrer Tochter knetete. »In Wirklichkeit geht es um etwas anderes. Was immer Myrddin auch sein mag, ein Dummkopf ist er nicht. Er weiß genauso gut wie ich, wie wichtig die Buchführung ist. Sein Problem ist nicht die Buchführung, sondern die Buchführerin.«
    »Du?«
    »Myrddin betrachtet mich als Rivalin im Kampf um Artorius’ Aufmerksamkeit. Er flüstert ihm etwas über den Ruhm der Celtae und die Magie der alten Lebensweise ins eine Ohr, ich flüstere ihm etwas über Buchhaltung und Steuereinkünfte ins andere. Wir sind wie zwei Pole, wie Vergangenheit und Zukunft.«
    Brica grinste. »Aber du bist diejenige, die mit dem riothamus schläft.«
    »Ja. Obwohl ich glaube, wenn Myrddin dächte, er könnte Artorius in sein Bett locken, würde er sich ein neues Loch schneiden…«
    Brica klappte die Kinnlade herunter. »Mutter!«
    Regina tätschelte ihr die Hand. »Wie beruhigend, dass ich dich noch schockieren kann, mein Schatz. Jedenfalls glaube ich, dass der riothamus uns beide gern um sich hat, dass es ihm sogar gefällt, wenn wir uns streiten, weil er dann gegensätzliche Meinungen hört. Das Kennzeichen eines klugen Führers…«
    Artorius bezeichnete sie immer noch als seine Königin, seine Morrigan. Aber ihre Beziehung hatte mittlerweile nur noch wenig mit der feurigen Liebe von Göttern zu tun – und auch wenig mit Leidenschaft, denn er kam so gut wie gar nicht mehr zu ihr ins Bett, nicht einmal in den seltenen Zeiten, in denen er aufhörte, Krieg zu führen und Bündnisse zu schmieden, und in die Festung am Caml zurückkehrte.
    Seine

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