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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Das Thema Liebe schien sich für sie erledigt zu haben.
    Und schon wenige Tage später stellte sie fest, dass sie schwanger war.

 
30
     
     
    Am Morgen jedes siebten Tages traf sich der Rat, das Leitungsgremium des Ordens, im peristylium der Krypta. Diese Versammlungen gingen auf die schweren Zeiten nach dem Einfall der Vandalen vor nunmehr bereits fünfzehn Jahren zurück, als die Älteren, Julia, Helena und Regina, sich mit einigen anderen ausgewählten Mitgliedern zusammengesetzt hatten, um die Prioritäten für die kommende Woche auszudiskutieren.
    Regina, mittlerweile fünfundsechzig Jahre alt und seit dem Tod ihrer Mutter die älteste Überlebende aus der Gründungzeit des Ordens, hatte sich bewusst angewöhnt, zu diesen Versammlungen zu spät zu kommen. Statt sich auf den Weg zum peristylium zu machen, begann sie ihren Tag an diesem Morgen mit einem Spaziergang zu den entlegendsten Bereichen der Krypta, wo die Tunnel ständig weiter in den weichen Kalktuff vorgetrieben wurden.
    Heutzutage beschäftigte der Orden erfahrene Bergleute für diese Arbeit. Sie schwangen Hacken und Äxte mit Eisenschäften und trugen den Abraum in Lederkiepen hinaus. Um härtere Felswände aufzubrechen, entzündeten sie Feuer; dann begossen sie das erhitzte Gestein mit Wasser, und die plötzliche Abkühlung ließ den Felsen bersten. Für all dies brauchte man eine Menge Holz, und noch mehr Holz wurde benötigt, um die Stollen abzustützen; tatsächlich waren meist mehr Holzfäller als Bergleute im Einsatz.
    Die Bergleute arbeiteten weitgehend unter denselben Bedingungen wie in Kohlen- und Eisenerzgruben in ganz Europa. Ihr Arbeitsleben in dieser dunklen, schwefligen, verräucherten Umgebung war kurz – was weiter keine Rolle spielte, weil die meisten Sklaven waren. Hier jedoch würde ihre Hinterlassenschaft nicht aus dem bestehen, was sie aus dem Boden holten, sondern aus den Höhlungen, die sie in ihn hineintrieben.
    Wenn die Bergleute die neuen Räume und Korridore grob ausgeformt hatten, folgten Baumeister, die die Wände erst mit Gussgestein säumten und verstärkten und dann mit Ziegeln verkleideten. Das Gussgestein wurde aus einem Gemisch aus Steinbrocken und Ziegelmehl und einem Mörtel aus Wasser, Kalk und einem speziellen vulkanischen Sand namens pozzolana hergestellt. Diese Art der Gussgesteinproduktion forderte ihren Tribut unter den Sklaven, machte es jedoch enorm haltbar.
    Die Arbeiten gingen zufriedenstellend voran. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Vorarbeiter machte sich Regina auf den Rückweg ins Zentrum der Krypta und begab sich widerstrebend zur Ratssitzung.
     
    Bei ihrer Ankunft war die Sitzung bereits in Gang – und so sollte es auch sein, denn Regina bekam immer einen Wutanfall, wenn sich die Sitzungen wegen ihrer Abwesenheit verzögerten.
    Leda, Reginas Halbschwester, führte den Vorsitz. Sie war in den Fünfzigern, eine stämmige, kompetent wirkende Frau. Die wieder einmal hochschwangere Brica war ebenfalls da, und ihre erste Tochter Agrippina saß neben ihr. Brica sah müde aus, ihr Gesicht wirkte abgespannt, und Agrippina unterstützte sie schweigend, indem sie ihre Hand hielt.
    Momentan ging es um eine Umquartierung. Leda sagte: »Vor drei Tagen roch die Luft in Domäne sieben ziemlich, aber als wir die dreizehnte Kohorte von der zweiten Ebene raufschickten, stellten wir fest, dass die Kälte dort unangenehm wurde. Ich schlage vor, wir schicken dreizehn wieder auf zwei und verlegen fünfzehn auf die eins…«
    Es war eine – wenn auch komplizierte – Routineangelegenheit, und Regina begnügte sich damit, sich zurückzulehnen und der Diskussion ihren Lauf zu lassen. Sie stellte beifällig fest, dass Aemilia, Ledas mittlerweile fünfzehnjährige Tochter, die in der Sitzung getroffenen Entscheidungen peinlich genau auf einer Reihe von Wachstafeln verzeichnete. Regina hatte immer auf einer guten Dokumentation bestanden. Aufzeichnungen seien das Gedächtnis des Ordens, sagte sie, und wer seine Vergangenheit vergesse, sei zu einer kurzen Zukunft verurteilt.
    Und was das spezielle Thema der Quartierzuweisung betraf – oder der »Haufenbildung«, wie es einige der jüngeren Mitglieder nannten –, so hatte die Analyse mehrjähriger Aufzeichnungen über Neubelegungen und die Luftbewegung in den Gängen infolge der Umquartierung warmer menschlicher Körper einige wertvolle Erkenntnisse für das unaufhörliche Bestreben erbracht, in der Krypta für frische Luft zu sorgen.
    Natürlich war dieser Ort kein

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