Der Orden
seinem dunkelbraunen Harnisch stand er hoch aufgerichtet inmitten der Frauen und Mädchen in ihren weiß-purpurnen Trachten, eine Säule männlicher Fremdartigkeit, völlig fehl am Platze.
Während die letzten Vorbereitungen getroffen wurden, trat Regina belustigt auf ihn zu. »Du siehst nicht gerade aus, als fühltest du dich sonderlich wohl.«
»Das kann ich nicht leugnen«, sagte er und wischte sich den Schweiß vom Nacken. »Es liegt an den niedrigen Decken. Der dicken Luft. Dem Geruch.« Er musterte sie nervös. »Ich möchte Euch nicht kränken – vielleicht habt Ihr Euch daran gewöhnt. Es ist ein Geruch von Menschen – oder vielleicht von Tieren –, fast wie im Amphitheater während der Tierhetzen.«
»Und deshalb fühlst du dich unwohl. Du, ein Veteran von hundert Schlachtfeldern!«
»Und dann diese Gleichartigkeit. Wohin ich auch schaue, überall sehe ich dieselben Korridore, Räume und Dekorationen – sogar dieselben Gesichter, wie mir scheint. Diese hübschen Gesichter – diese faszinierenden Augen, wie Schiefer – ich fühle mich in Eurer Grube begraben und finde mich nicht zurecht, und mir ist schwindlig. Das ist nichts für mich!«
»Es ist auch nicht für dich gedacht«, erwiderte sie scharf.
Endlich begann die kleine Zeremonie. Agrippina errötete allerliebst, und ihre schwangere Mutter hielt sie an der Hand. Agrippina weihte ihre Kinderkleidung den matres, indem sie sie in ein Kohlenbecken legte, und bekam ihre erste weiße Erwachsenenstola mit dem dünnen, eingewebten Purpurstreifen.
Doch als der Moment kam, wo Agrippina ein Stück Leintuch mit ein paar Flecken ihrer ersten Blutung verbrennen sollte, trat Regina vor.
»Nein«, sagte sie laut, in eine schockierte Stille hinein. Sie hatte Zeit gehabt, ihre erste instinktive Ablehnung dieses Vorgangs zu überdenken, und sie glaubte zu wissen, was zu tun war. Sie nahm Brica das Stück Stoff ab und hielt es hoch. »Das hier soll vernichtet, aber nicht gefeiert werden.« Sie legte den Stofffetzen in das Kohlenbecken, und als die kleinen Flammen emporzüngelten, hörte sie die Zuschauer schockiert nach Luft schnappen. Sie nahm Agrippinas Hand und legte sie auf Bricas geschwollenen Bauch. »Das hier ist wichtig. Deine ungeborene Schwester.
Deine Blutung ist keine Schande, Agrippina. Aber du sollst sie vor anderen verbergen und nicht darüber sprechen. Dein Leben gehört nicht deinen Töchtern, sondern deinen Schwestern – derjenigen hier in Bricas Bauch und denjenigen, die danach geboren werden. Wenn Bricas Blut trocknet – nun, dann ist es vielleicht an dir, dem Orden zu dienen. Aber bis dahin – wenn du ein Kind austragen möchtest, wirst du es außerhalb dieser Wände tun.«
Agrippina machte ein entsetztes Gesicht. »Du würdest mich verstoßen, weil ich schwanger werde?«
»Es ist deine Entscheidung«, sagte Regina. Ihr Ton war sanft, aber sie wusste, dass die Drohung in ihren Worten unmissverständlich war. Sie drehte sich zu den Zuschauern um. »Zieht das nicht in Zweifel. Es muss immer so sein – nicht weil ich es sage, sondern weil es besser für den Orden ist. Schwestern sind wichtiger als Töchter.«
Brica schaute ihr kurz ins Gesicht, und Regina glaubte, einen Funken Trotz in den Augen ihrer Tochter zu sehen. Aber Brica war hochschwanger, ausgelaugt von fünfzehn Jahren der Schwangerschaft – und außerdem war sie schon vor langer Zeit von Regina besiegt worden. Ihre Schultern sackten herab, und sie führte die weinende Agrippina fort.
Regina verspürte einen Anflug von Schuldgefühl. Warum musste es so sein? Warum musste sie ihren Kindern so viel Leid zufügen? »Weil es so besser ist«, sagte sie leise. »Selbst wenn sie es nicht verstehen können.«
Die Gruppe löste sich auf. Alle machten einen Bogen um Regina. Nur Ambrosius stand noch da und sah sie mit großen Augen an.
Später tranken sie in ihrem Arbeitszimmer mit Wasser verdünnten Wein. Ambrosius war zurückhaltend und wachsam.
Sie lächelte müde. »Du hältst mich für eine verrückte alte Frau.«
»Ich verstehe nichts von dem, was ich hier gesehen habe«, sagte er aufrichtig. »Würdet Ihr sie wirklich wegschicken, wenn sie schwanger würde?«
»Agrippina hat fast ihr ganzes Leben in der Krypta verbracht. Die Welt draußen – die Unordnung, das Chaos, sogar das Wetter –, macht ihr zu Recht Angst. Aber es wäre besser so.«
»Sie ist Eure Enkeltochter«, sagte er hitzig. »Wie könnt Ihr sagen, die Verbannung wäre besser für sie?«
»Nicht für
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