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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen problematischen Bereich also verbessern, indem man die Gänge darum herum einfach evakuierte und die Menschen woandershin brachte. Auf ähnliche Weise konnte man ein Gebiet abkühlen, indem man die Menschen herausholte – oder aufheizen, indem man mehr Menschen hineinstopfte. Nicht jedes Problem ließ sich jedoch durch »Haufenbildung« lösen. Die Küchen sowie die Kindergärten und Krippen, in denen sämtliche Säuglinge des Ordens betreut wurden, waren ein beständiges Problem. Aber insgesamt funktionierte das System bei sorgfältiger Überwachung und Analyse gut und wurde immer effizienter, während sie dazulernten.
    Natürlich gab es viel Gemurre über diese Praxis der ständigen Umquartierungen, doch die Menschen hatten sich daran gewöhnt. Da Raum von Anfang an ein kostbares Gut gewesen war, durfte man sowieso nicht viele persönliche Habseligkeiten in die Krypta mitbringen. Und die Möblierung der Schlafsäle wurde in zunehmendem Maße vereinheitlicht, sodass es eigentlich keinen Unterschied mehr machte, wo man sich gerade befand.
    So weit es Regina betraf, war diese beständige Entwurzelung ein unerwartetes, nützliches Nebenprodukt. Regina wollte nämlich, dass jede Schwester die gesamte Krypta und nicht nur ihre eigene kleine Ecke als ihr Zuhause betrachtete.
    Währenddessen verbrachten die Mitglieder des Ordens immer mehr Zeit unter der Erde.
    In der Krypta gab es weder Sommer noch Winter, keine Bedrohung durch Barbaren oder Banditen und auch keine Krankheiten, da alle Nahrungsmittel wie auch das Wasser sauber waren. Außerdem herrschten hier Sicherheit und Ordnung in einer ansonsten zunehmend gefährlichen Welt. Tatsächlich war es so, dass den hier geborenen Kindern die oberirdische Welt seltsam erschien – ein unordentlicher Ort, wo der Wind unkontrolliert wehte und das Wasser einfach vom Himmel fiel…
    Eines Tages, sinnierte Regina, würde eine Schwester in der Krypta geboren werden, würde ihr ganzes Leben unter Tage verbringen und dann hier sterben. Ihr Körper würde in einen Belüftungsofen geschoben werden, ein letzter Beitrag für den Orden. Regina würde es nicht mehr erleben, aber sie war sicher, dass sich dieser großartige Traum bald erfüllen würde.
     
    Sieben Tage später traf sie sich mit Ambrosius Aurelianus. Er stand auf dem Forum und lauschte einem Redner, der einer fröhlichen Menge einen theatralischen Vortrag über die Zerstörung der Welt hielt. Selbst hier im Herzen Roms trug er den Lederharnisch eines keltischen Kriegers. Ambrosius war alt geworden, sah aber noch weitgehend genauso aus, wie Regina ihn in Erinnerung hatte – die stämmige Figur, das robuste, entschlossene Gesicht. Sein verblüffend blondes Haar wich zurück, und eine tiefe Narbe entstellte eine Seite seines Gesichts.
    Aber in seinen blauen Augen lag noch immer dieselbe warme Inbrunst wie bei den Sitzungen von Artorius’ Kriegsrat vor all diesen Jahren in Londinium.
    Er begrüßte sie mit unbeholfener Galanterie und beharrte darauf, dass sie sich nicht verändert habe.
    Sie schnaubte. »Du bist ein Narr, Ambrosius Aurelianus, und soweit ich mich erinnere, warst du das schon immer. Aber du bist ein tapferer Narr, weil du solch freundliche Worte an einer bösartigen alten Vettel wie mir ausprobierst.«
    Er lachte. »Ich verfüge über die diplomatischen Fähigkeiten der meisten Soldaten, Mutter. Aber ich freue mich, Euch zu sehen.« Es war seltsam, diese Worte in solch flüssigem Britannisch zu hören; selbst Brica sprach heutzutage selten mehr als ein, zwei Sätze.
    Sie gingen zu einer Taverne, die sie kannte, einer respektablen popina, nicht weit vom Forum entfernt; sie lag in einem Keller, und ihr dunkles, angenehm riechendes Inneres erinnerte sie an die Krypta, sodass sie sich dort heimisch fühlte. Ambrosius holte einen Krug Wein, den sie mit Wasser verdünnte und mit Kräutern und Harz würzte. Er schien Hunger zu haben, denn er bestellte Oliven, Brot und gebratene Fleischwürfel; er behauptete, er sei ein großer Freund der schmackhaften römischen Küche.
    Dann erzählte er ihr von seinem Besuch. Er wohnte bei einem reichen Geldgeber, der ihn mit großzügiger römischer Gastfreundschaft bei sich aufgenommen hatte. »Es heißt, man müsse Rom sehen, bevor man stirbt, und ich bin froh, dass ich das geschafft habe.« Regina war sicher, dass er es ehrlich meinte. Trotz der schwierigen und unsicheren Zeiten waren die Menschen auf den Märkten so geschäftig und liebenswürdig wie eh und je, im

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