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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jedoch nicht in der Krypta.
    »Und so, wie wir lange leben, bleiben wir auch lange fruchtbar. Aber ich mache mir Sorgen um Brica.« Jetzt, wo sie unfruchtbar war, wirkte Brica erschöpft, ausgelaugt von den erbarmungslosen Anforderungen des Gebärens; sie trieb sich ziellos in der Krypta herum. »Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich wohl fühlt, müssen sie beruhigen…«
    »Aber da wäre die Frage des Nachschubs«, sagte Venus behutsam.
    »Des Nachschubs?«, fragte Regina zerstreut.
    »Das jüngste Kind ist schon drei«, sagte Leda. »Wir brauchen mehr Säuglinge. Wir müssen…« Sie machte eine Handbewegung.
    »Den Zustrom aufrechterhalten.« Regina öffnete ihren zahnlosen Mund und gickelte. »Wie bei den großen Abwasserkanälen. Wir müssen am einen Ende des Systems Kinder einspeisen, damit am anderen Ende ein hübscher, zügiger Abwasserstrom herauskommt.«
    »Ganz so hätte ich es nicht ausgedrückt«, sagte Venus. Seit ihrer Wahl in den Rat war ihr Selbstvertrauen gewachsen, und sie hatte einen trockenen Humor entwickelt. »Aber ja, du hast Recht.« Vorsichtig fügte sie hinzu: »Wir müssen entscheiden, wer Brica… ersetzen soll.«
    Leda nickte.
    Natürlich hatten sie Recht; nach dieser Logik führten sie den Orden nun schon seit über zwanzig Jahren.
    Es war die langsame Gestaltwerdung der instinktiven Vision, die Regina von Anfang an im Kopf gehabt hatte. Das Raumangebot in der Krypta würde immer beschränkt sein. Wenn sich alle weiblichen Mitglieder der Familie als ebenso fruchtbar erwiesen wie Brica, würde bald drangvolle Enge herrschen. Also wurden seit Agrippinas Volljährigkeitszeremonie immer nur eine Hand voll Frauen ermutigt, Kinder zu bekommen. Von ihren Geschwistern und heranwachsenden Töchtern wurde erwartet, dass sie diesen Hauptmüttern dabei halfen, weitere Kinder auszutragen und weitere Schwestern aufzuziehen, selbst auf Kosten ihrer eigenen Familien. Sie sollten kinderlos bleiben, entweder durch den Einsatz von Verhütungsmitteln oder durch Abstinenz – am besten, indem sie ihre Menarche mithilfe der geheimnisvollen Prozesse in ihren Körpern hinausschoben, wie es Bricas zweite Tochter Julia und eine Reihe anderer Mädchen seither getan hatten.
    Eine solche Geburtenbeschränkung hielt die Zahlen niedrig und sorgte dafür, dass das Blut nicht verdünnt wurde und dass die Familienbande so fest wie möglich blieben. Es funktionierte. Und wenn es so blieb, das sah Regina klar und deutlich, würde dies in ein paar Generationen eine einzige große Familie sein, ein gewaltiges Netz aus Schwestern, Müttern und Töchtern, Tanten und Nichten, ein Kern, der durch unauflösliche Bande des Blutes und der Abstammung zusammengehalten wurde und imstande war, mit der unvermeidlichen Enge der Krypta fertig zu werden.
    Aber das System führte zu Dilemmata, so wie jetzt. Bricas fruchtbare Zeit war vorbei, und eine neue Mutter musste gefunden werden.
    Leda sagte: »Ich schlage Agrippina vor – Bricas erste Tochter«, fügte sie hinzu, für den Fall, dass Regina daran erinnert werden musste. »Sie hat sich in Geduld gefasst, seit…«
    »Seit dem Tag, an dem ich ihr Leben ruiniert habe?« Regina gickelte erneut. »Ich höre das Gemurmel.«
    »Sechs Jahre«, sagte Venus, »in denen sie mit einer kleinen Schwester nach der anderen fertig werden musste. Vielleicht ist sie nun an der Reihe.«
    »Nein«, sagte Regina nachdenklich. »Nehmen wir Julia.« Agrippinas jüngere Schwester.
    Leda runzelte die Stirn. »Agrippina wird enttäuscht sein.«
    Regina zuckte die Achseln. »Darum geht es nicht. Denkt darüber nach. Agrippina soll das erste Mitglied des Ordens sein, das sein ganzes Leben nicht den egoistischen Forderungen des eigenen Körpers, nicht den eigenen Töchtern, sondern selbstlos seinen Schwestern widmet. Das ganze Leben. Sie wird ein Vorbild für andere sein, eine Inspiration für künftige Generationen. Man wird sie in Ehren halten.«
    Leda und Venus wechselten einen Blick. Regina wusste, dass sie ihre Edikte nicht immer verstanden. Aber Regina verstand sie ja selbst nicht immer.
    »Na schön.« Venus stand auf. Sie war ebenfalls wieder hochschwanger, und sie zuckte zusammen, als sie sich auf die Beine hievte. »Aber das kannst du Agrippina mitteilen, Regina.«
    Eine Botin kam ins peristylium gelaufen, aufgeregt und mit rotem Kopf, und unterbrach die Frauen. Regina war in den Kaiserpalast gerufen worden.
     
    Wenn Regina nach Ratssitzungen und dergleichen einfach nur so in der wachsenden Krypta

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