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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein paar Minuten Zeit gehabt, um Lucia zu untersuchen, und wenn auch nur ein Bruchteil von Lucias und Daniels Erzählungen stimmte, hatten sie das Recht, verwirrt zu sein.
    Peter überfiel die Ärztin mit Fragen. »Was ist mit ihrer Atmung? Ihrem Stoffwechsel, der Pulsfrequenz?« Sie war so überrascht, dass sie ihm zu antworten versuchte, wobei sie ein paarmal ihren Block zu Rate zog, bevor sich wieder ihre gewohnte Ärztemaske der Verschwiegenheit herabsenkte. »Wir sagen Ihnen Bescheid, sobald sich etwas Neues ergibt.« Damit machte sie kehrt und marschierte mit schnellen Schritten davon.
    »Was sollte das?«, fragte Daniel. »Sie hat keine Ahnung, womit sie es zu tun hat.« Voller aufgestauter Wut kehrte er zu seinem Sitz zurück.
    »Ich hätte ihn lieber nicht auffordern sollen, Koffein zu sich zu nehmen«, sagte ich leise zu Peter. »Weshalb hast du die Ärztin mit all diesen Fragen gelöchert?«
    Er sah mich an. »Als wir ihr in den Krankenwagen geholfen haben – hast du da nicht ihren Puls gefühlt? Bumm… bumm… bumm. In Anbetracht ihres Zustands und der Tatsache, dass sie gerade ihr Frühstück wieder von sich gegeben hatte, war er verdammt langsam – ich schätze mal, weniger als fünfzig Schläge pro Minute –, langsamer als bei einem Spitzensportler im Ruhezustand. Und sie war kalt. Die ersten Testergebnisse der Quacksalberin haben das bestätigt, glaube ich. Es passt irgendwie zu dem, was du mir über die Krypta erzählt hast, George. Die Luft da unten muss stickig sein, mit hohem Feuchtigkeitsgehalt, viel Kohlendioxid und wenig Sauerstoff.«
    Ich nickte. »Deshalb hatte ich dauernd das Gefühl, außer Atem zu sein.«
    »Bei niedrigem Sauerstoffgehalt sinken die Stoffwechselrate und die Körpertemperatur. Langsamer Puls, kalte Haut.« Er rieb sich die Nase. »Ich würde mir gern mal die Ergebnisse ihrer Urinproben anschauen.«
    »Warum?«
    »Weil Tiere überschüssiges Ce-Oh-zwei unter anderem durch ihre Pisse abbauen, in Form von ausgeschwemmten Karbonaten und Bikarbonaten. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie auch so einen Anpassungsmechanismus entwickelt hätte.«
    »Anpassung. Du meinst, sie ist an die Krypta angepasst?« Ich dachte darüber nach. »Zum Beispiel ihre blasse Haut. Ihre Augen. Diese dicke Sonnenbrille.«
    »Es passt irgendwie zusammen. Und das ist noch nicht alles. Bei niedrigerer Stoffwechselrate würde man sich langsamer entwickeln und später erwachsen werden. Und auch länger leben.«
    »Wäre das eine Erklärung für die Sterilität?«
    »Ich weiß es nicht. Aber diese Leute müssen sehr, sehr lange in dem Erdloch da unten gewesen sein.«
    »Womit haben wir es hier zu tun, Peter?«
    Er schaute kurz zu Daniel hinüber und gab mir ein Zeichen. Wir rückten ein paar Sitze weiter.
    Peter klappte seinen Laptop auf und zeigte mir einige Bilder, die ich wegen des grellen Lichts, das durch die großen Fenster hereinfiel, kaum erkennen konnte. »Was weißt du über Orang-Utans?«
     
    So weit Peter erkennen konnte, war die Datei über Pina, die Daniel ihm gegeben hatte, echt. Als Pina wegen ihres gebrochenen Beins ins Krankenhaus gekommen war, hatte ihre Erscheinung die behandelnden Ärzte derart beunruhigt, dass sie darauf bestanden hatten, ausführlichere Tests an ihr vorzunehmen.
    »Ich glaube, der Junge hatte Recht, George. Pina hatte ein nicht perforiertes Hymen und stille Eierstöcke.«
    »Stille Eierstöcke?«
    Er zuckte die Achseln. »Sie haben keine Eier produziert. Hatten noch nie Eier produziert. Hier ist eine kurze Notiz, wo ein Arzt über den Mechanismus spekuliert…«
    Ich winkte ab. »Davon verstehe ich sowieso kein Wort.«
    »Jedenfalls haben sie die abschließenden Tests nicht mehr gemacht, bevor sie rausgeholt wurde. Ich habe mich mithilfe der Suchmaschinen mal ausführlicher informiert. Die Biologen nennen das ›Entwicklungsstillstand‹. Es kann aus genetischen Gründen passieren – eine Mutation im Rezeptor eines bestimmten Wachstumsfaktors kann beispielsweise eine Form von Zwergwüchsigkeit hervorrufen. Und Nahrungsmittelmangel – zum Beispiel, wenn man magersüchtig ist – kann die Pubertät hinauszögern. In evolutionärer Hinsicht ist das durchaus sinnvoll, denn wenn man sich selbst nicht ernähren kann, hat es keinen Zweck, Kalorien auf Knochenmasse und Fettgewebe für sexuelle Merkmale zu verschwenden, solange der Körper nicht sicher ist, dass er überleben wird. Bei Tieren kommt das sogar ziemlich häufig vor. Manchmal entwickeln untergeordnete

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