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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Männchen keine Geschlechtsmerkmale. Spitzhörnchen. Mandrill-Affen. Elefanten.«
    »Und Orang-Utans?«
    »Sogar Orang-Utans, sogar Affen.«
    »Kommen wir wieder zu Pina. Du meinst, sie hat auch diesen ›Entwicklungsstillstand‹?«
    »Sieht so aus. Die Tests waren nicht eindeutig.« Er seufzte, schloss den Laptop und massierte sich den Nasenrücken. »Aber angenommen, es stimmt, George. Angenommen, dieses arme Kind hat tatsächlich eine Schwangerschaft hinter sich, die gerade mal drei Monate gedauert hat. Angenommen, in dieser Erdhöhle lebt tatsächlich eine Horde weiblicher Neutren. Angenommen, Lucias andere Eigentümlichkeiten – ihre Blässe, ihr langsamer Stoffwechsel – sind Anpassungen an das Leben unter der Erdoberfläche. Und angenommen, es stimmt – es klingt fantastisch, aber nur mal angenommen –, dass Lucia nur ein einziges Mal mit diesem Giuliano geschlafen hat, aber immer wieder schwanger wird…«
    Ich saß auf dem mit Kunststoff bezogenen Sitz, in dem hellen, effizienten, hochmodernen Krankenhaus, und schaute durch die großen Fenster in den Garten mit den Zypressen hinaus. »Evolution. Sie entwickeln sich anders. Meinst du das?«
    »Wenn die Geschichte von Regina wahr ist, hat sich der Orden seit eintausendsechshundert Jahren mehr oder weniger von der übrigen Menschheit abgekoppelt. Das sind, sagen wir mal, sechzig, siebzig, achtzig Generationen… Ich bin kein Biologe. Ich weiß nicht, ob die Zeit reicht. Aber für mich hört es sich so an.« Er schüttelte den Kopf. »Weißt du, vor vierundzwanzig Stunden hätte ich nicht geglaubt, dass wir so ein Gespräch führen würden. Aber jetzt tun wir’s.
    Trotzdem fehlt mir nach wie vor das Gesamtbild. Für evolutionäre Veränderungen gibt es immer Gründe.« Peter beugte sich nah zu mir. »Du musst noch mal dahin zurück, George. In die Krypta. Ruf deine Schwester an.«
    »Warum?«
    »Wir brauchen mehr Informationen. Wir haben immer noch mehr Fragen als Antworten und nur einen Haufen Vermutungen. Wenn es uns gelänge, Pina oder eine der anderen Neutren zu einem Arzt zu bringen…«
    »Daniel.«
    Er schaute sich um. »Was?«
    »Wo ist Daniel?« Während wir uns unterhalten hatten, war der Junge von seinem Platz verschwunden.
    Wir liefen den Korridor entlang, denselben Weg, den er genommen haben musste. Wir hörten, wie die Frau an der Anmeldung uns zurückrief, dann ertönte ein schärferer Ruf des Wachmanns.
    Wir hatten noch keine fünfzig Meter zurückgelegt, als wir auf eine Gruppe trafen, die aus der Gegenrichtung kam. Daniel wurde von seinen Begleitern – einem stämmigen Pfleger an der einen, einem Wachmann an der anderen Seite – an den Armen festgehalten. Die nette junge Ärztin erklärte ihm immer wieder in ruhigem Ton, sie seien nicht sicher gewesen, was unsere Angaben betraf, und es sei nur korrekt gewesen, das Mädchen selbst nach seinen Angehörigen zu fragen…
    Als Daniel uns sah, wehrte er sich noch heftiger. »Sie haben sie zurückgeholt«, rief er verzweifelt. »Der Orden. Sie waren hier und haben sie zurückgeholt!«

 
44
     
     
    Im Jahr 1778 fand Edmund Minerva und verlor sie auch wieder.
    Er war dreiundzwanzig Jahre alt. Nach Rom gekommen war er im Rahmen seiner traditionellen »Kavaliersreise«, die er den finanziellen Mitteln seines Vaters sowie seiner eigenen Jugend und Energie verdankte. Er wohnte an der Piazza di Spagna, im so genannten Englischen Ghetto. Die Wohnung, eine annehmbare erste Etage und zwei Schlafräume in der zweiten, war klein, aber gut möbliert und kostete nicht mehr als einen scudo pro Tag.
    Edmund schloss sich einem gewissen James Macpherson an, einem vierzigjährigen jakobitischen Flüchtling und erfahrenen Lebemann, der sich als bereitwilliger Führer zu allem erwies, was Rom so zu bieten hatte – natürlich nur, solange Edmund als Geldquelle fungierte. Edmund war sich über den Charakter dieser Beziehung durchaus im Klaren und achtete sorgfältig darauf, dass James ihn nicht ausnutzte. Edmund hatte jedoch breit gefächerte Neigungen; bald lernte er Gerichte wie vitella mongana schätzen, das er für das köstlichste Kalbfleisch hielt, das er je gegessen hatte, und trank große Mengen Orvieto, einen passablen Weißwein.
    Rom erwies sich als äußerst amüsant. Tag und Nacht waren die Piazzas von Akrobaten und Astrologen, Jongleuren und Zahnbrechern bevölkert. In den engen, nach Knoblauch stinkenden Gassen, wo imposante Villen über winzigen Häusern aufragten, hingen überall Reklameschilder

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