Der Orden
für Barbiere, Schneider, Chirurgen und Tabakwarenhändler. Die Gassen waren jedoch immer voller Lärm und Dreck, weil die Römer die rüpelhafte Angewohnheit hatten, sich in jedem gerade verfügbaren Eingang und an jeder Mauer zu erleichtern, und ihre Müllhaufen in sämtlichen Ecken liegen ließen, wo sie auf die in unregelmäßigen Abständen vorbeikommenden Müllsammler warteten.
Doch inmitten des Lärms, des Drecks und der Ausschweifungen gab es echte Wunder.
Edmund fand die Peterskirche und ihre Piazza geradezu atemberaubend – er ließ sich von James Tag für Tag dorthin bringen, denn es gab immer wieder etwas Neues zu entdecken –, und er war entzückt von der Umgebung des großen Doms, wo sich elegante große und kleine Kuppeln aus dem Morgennebel erhoben. Und dann gab es auch noch die älteren Denkmäler, die aus der Vergangenheit ragten. Edmund ließ sich von James oftmals auf den Gipfel des Palatin begleiten, wo alte Zypressen inmitten der Palastruinen sanft mit ihren Ästen wedelten.
Die Römer selbst fand Edmund angenehm und höflich – kein Wunder, dachte er, schließlich waren sie mit Sicherheit die trägsten Menschen in ganz Europa. Hier gab es keine Industrie, keinen Handel, keine Produktion. Das Einkommen der Menschen hing vom stetigen Zustrom von Geld aus dem gesamten christlichen Europa ab, der schon seit Jahrhunderten nicht mehr abgerissen war.
Und die Religion beherrschte alles in Rom. Angeblich waren immer ebenso viele Pilger und andere Besucher wie Einwohner in der Stadt. Dreitausend Priester sowie fünftausend Mönche und Nonnen versahen ihren Dienst in dreihundert Mönchsund Nonnenklöstern und vierhundert Kirchen. Es war schick, sich wie ein Geistlicher zu kleiden, selbst wenn man die heiligen Weihen nicht empfangen hatte. Ein größerer Gegensatz zum dynamischen industriellen Getriebe Englands war kaum vorstellbar; manchmal hatte Edmund das Gefühl, als wäre die von Geistlichen überhäufte Stadt von einem großen Wahnsinn befallen.
Edmund war keineswegs begeistert von den römischen Frauen, deren Schönheit sich seiner Ansicht nach nicht mit der ihrer Stadt messen konnte. Er erinnerte sich an eine Bemerkung von Boswell, dass nur einige wenige Römerinnen hübsch und von denen wiederum die meisten Nonnen seien. Aber er hatte nichts dagegen, dass James ihn mit Kurtisanen bekannt machte, die er in großer Zahl zu kennen schien. Edmund war nicht der Ausschweifungen halber hergekommen, aber er war auch kein Mönch, und er musste gestehen, dass es ein eigentümlicher Nervenkitzel war, sich hier in der Heimat der Mutter Kirche seinen fleischlichen Gelüsten hinzugeben – wo einige der Prostituierten, wie er erfuhr, sogar eine vom Papst höchstpersönlich ausgestellte Arbeitserlaubnis besaßen!
All das änderte sich jedoch, als er Minerva traf.
Eines Abends sah er sich im Capranica eine Operette an. Es fiel ihm schwer, der Darbietung zu folgen, weil in der von James angemieteten Privatloge heftig getrunken und gespielt wurde. James machte ihn mit der lärmenden Truppe der Sänger und Schauspieler bekannt, und im Verlauf eines sehr langen Abends erfuhr Edmund zu seinem Erstaunen, dass einige der schönen »Mädchen«, die sich unter die Truppe gemischt hatten, in Wirklichkeit castrati waren. Dankbar vermied er es, sich zum Narren zu machen.
Am nächsten Morgen ging Edmund mit dickerem Schädel als sonst allein zum Forum.
Er fand eine umgestürzte Säule und setzte sich darauf. Das Forum war eine von Ruinen übersäte Wiese. Er sah zu, wie die Heuwagen über die freie Fläche rumpelten, und beobachtete die Tiere, die zwischen den mit Flechten überzogenen Steinen grasten. Als die höher steigende Sonne den letzten Rest des Morgennebels wegbannte, spürte er trotz seiner Kopfschmerzen, wie sich eine heitere Ruhe in seinem Innern ausbreitete. Es war ein Trümmerfeld, ja, und es tat weh, die schäbigen Hütten von Zimmerleuten auf der Tribüne zu sehen, wo einst Cicero gestanden hatte. Aber hier herrschte ein großer Frieden, als ob die Gegenwart sich irgendwie mit der Vergangenheit geeinigt hätte.
In einer Ecke des alten Platzes stand eine Reihe von Holzkohleherden, und der saure Gestank von Kohl und Kaidaunen stieg ihm in die Nase. Müßig stand er auf, wischte sich Flechten von der Hose und schlenderte dorthin. In Rom konnte man vielerorts Garküchen unter freiem Himmel finden. Einige dieser Einrichtungen waren großartig, und Edmund hatte dort durchaus akzeptable Speisen zu
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