Der Orden
Referenzen waren kaum sonderlich überzeugend, und aus den Ausweisen wurde nichts.
»Das ist eine verdammte Verschwörung«, schimpfte Peter. »Ohne Übertreibung – ich würde dieses Wort nicht leichtfertig gebrauchen. Und es hängt alles mit dem Orden zusammen. Diese Bastarde versuchen gemeinsam, uns draußen zu halten. Wir sind auf einen äußeren Verteidigungsring gestoßen, und dabei haben wir gerade erst angefangen…«
Nach ein paar Tagen bekniete er mich, noch einmal meinen »zahmen Jesuiten« zu besuchen. Kurz darauf rief Claudio mich an und bot mir eine Führung durch das Archivio Segreto Vaticano an, das Geheimarchiv selbst.
»Ich enttäusche Sie höchst ungern«, sagte Claudio grinsend. »Aber ›geheim‹ bedeutet in diesem Zusammenhang ›privat‹…« Er hatte mich an der Porta Sant’ Anna abgeholt, einem der Eingänge zum Vatikan. Wir mussten uns im Vigilanza-Büro Besucherausweise ausstellen lassen, wozu schrecklich viele Formulare auszufüllen waren.
Der Eingang zum Archiv selbst ging von einem Hof namens Cortile del Belvedere im Innern des Vatikan-Komplexes ab.
Wie sich herausstellte, recherchierte Claudio hier regelmäßig, und er zeigte mir in flottem Tempo die Bereiche, zu denen akademische Besucher Zutritt hatten: einen Raum im Erdgeschoss namens sala di studio und einen Karteiraum, der gegenwärtig tausend teilweise sehr alte Karteien enthielt.
Claudio führte mich zu einem klappernden Fahrstuhl, der uns in den Bunker hinunterbrachte, wie er es nannte. Das war das Manuskriptdepot, erbaut in den Siebzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts, um den gewaltigen Zustrom an Material aufzunehmen, mit dem das Archiv in der Nachkriegszeit fertig werden musste. Es war eine unterirdische Bibliothek, ein nüchterner, schmuckloser, hässlicher Ort voller Bücherschränke und Regale, die sich über zwei durch Gitterböden getrennte und durch mehrere Stahltreppen verbundene Stockwerke erstreckten. Einige Bücherschränke waren verschlossen – sie enthielten heikles Material –, und manche Regale waren leer und warteten auf Neuzugänge.
Wir betraten den Pergamentraum, wo einige der berühmteren Dokumente ausgestellt waren. Sie lagen in hüfthohen Vitrinenschränken mit jeweils zehn verglasten Schubladen. Diese Stücke waren teilweise faszinierend – oftmals in Latein, einige beleuchtet, andere von Wachssiegeln bedeckt.
Claudio hielt mir die ganze Zeit über einen interessanten und routinierten Vortrag. Schon in ihren frühesten Tagen hatte die Kirche in Rom die im Reich geübte Praxis der Archivierung übernommen und sie sogar in der Zeit der Christenverfolgung beibehalten. Das erste Archiv hieß scrinium sanctum, ein Ausdruck, den ich überrascht wiedererkannte. Aber das Archiv war alles andere als vollständig. Um 300 vor Christus hatte Kaiser Diokletian die ersten Sammlungen verbrennen lassen. Als das Christentum dann zur Reichsreligion wurde, begann man erneut, Aufzeichnungen anzuhäufen. Aus den blutigen Turbulenzen des ersten Jahrtausends war jedoch nur wenig erhalten geblieben.
Im vierzehnten Jahrhundert gingen die Päpste für eine Weile nach Frankreich ins Exil, und im fünfzehnten Jahrhundert gipfelte eine Phase innerer Auseinandersetzungen darin, dass drei konkurrierende Päpste in Europa ihr Unwesen trieben – »der Albtraum eines Bibliografen«, erklärte Claudio lakonisch. Im sechzehnten Jahrhundert gingen die nachfolgenden Päpste daran, das Archiv zu vereinheitlichen. Doch als Napoleon Italien eroberte, brachte er das ganze Material für ein paar Jahre nach Frankreich und richtete dabei noch mehr Schaden an.
»Alles, was wir haben, ist hier«, sagte Claudio. »Wir haben Briefe von Päpsten bis zurück zu Leo I. aus dem fünften Jahrhundert, der Attila dem Hunnen gegenüberstand. Wir haben Urkunden byzantinischer Kaiser. Die Korrespondenz der Jeanne d’Arc. Berichte über päpstliche Enklaven, Anklagen wegen Hexerei und andere üble Machenschaften hoher Stellen, sexuelle Geheimnisse von Königen, Königinnen, Bischöfen und ein paar Päpsten. Die Akten über die spanische Inquisition, Einzelheiten über den Prozess gegen Galileo… Sogar den Brief aus England mit der Bitte um Auflösung der ersten Ehe Heinrichs des Achten.«
»Und irgendwo in alldem«, sagte ich, »ist die wahre Geschichte des Ordens zu finden. Oder zumindest die Version des Vatikans.«
Er winkte ab. »Ich möchte Ihnen gern klar machen, dass das Archiv überwältigend ist. Manche Gelehrte haben fast ihr
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