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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Personen Platz. Und die Theaterstücke – einige waren zu hoch für mich, aber die fabula togata haben mir gefallen, Komödien wie ›Die Anklage‹ und ›Was ihr wollt‹. Und dann gab es auch noch die Farcen – meine verstorbene Frau war besonders begeistert von den ›Weinpflückern‹ – was haben wir an der Stelle gelacht, wo der Bursche mit dem Traubenkorb gestolpert und hingefallen ist, und…«
    All das sagte Regina nicht viel. Was ein Theaterstück war, wusste sie lediglich aus den Büchern ihres Großvaters. Das Theater war voller Müll, ein Kompost aus fauligen, weggeworfenen Nahrungsmitteln, Schutt und Tonscherben – selbst der aufgedunsene Kadaver eines Esels lag dort unten, wie es schien –, alles mit welkem Herbstlaub bestreut. Der Unrat stieg wie eine langsame Flutwelle die Bankreihen empor, und wenn der Wind drehte, drang Regina Verwesungsgestank in die Nase.
    Carausias seufzte, zupfte sie am Ärmel und führte sie die Treppe hinunter.
    Auf dem Weg zum Forum gingen sie durch eine von Läden gesäumte Nebenstraße. Die lang gestreckten, schmalen Gebäude standen sehr eng beieinander; im rückwärtigen Bereich befanden sich Werkstätten und Wohnungen. Regina warf einen Blick in einige Läden und sah, dass es sich um eine Fleischerei, eine Tischlerei und eine Metallwerkstatt handelte; beim Fleischer war am meisten Betrieb. Aber viele Läden waren geschlossen.
    »Hier konnte man noch vor ein paar Jahren die feinste Keramik kaufen«, sagte Carausias bedauernd. »Auf Wunsch auch importierte Tonwaren, sogar aus Samos, aber die Sachen aus dem Südwesten und Norden Britanniens waren genauso gut und erheblich preisgünstiger. Jetzt bekommt man keine neuen Tongefäße mehr, ganz gleich, was man dafür bezahlt; wir müssen uns einfach irgendwie behelfen und die alten ausbessern, bis der Kaiser seine Probleme gelöst hat.« Er betrachtete sie. »Wie wär’s mit dir, Regina? Hast du schon einmal darüber nachgedacht, was du machen möchtest, wenn du älter bist? Vielleicht könntest du töpfern lernen. Dieser Laden wäre bestimmt für ein paar Sesterzen zu haben.«
    Regina hatte keine Ahnung, wie Tonwaren hergestellt wurden, stellte sich jedoch vor, dass viel klebriger Lehm und harte Arbeit dazugehörten. Höflich sagte sie: »Ich glaube nicht, dass meine künstlerische Begabung dafür reicht, Carausias.«
    Sie erreichten das Forum, einen freien Platz voller Stände aus Tuch und Holz. Es wimmelte von Menschen, die kauften und verkauften, eingehüllt in eine Dunstwolke, die nach Gewürzen, Fleisch, Gemüse und tierischen Exkrementen stank. Hühner liefern gackernd herum, gejagt von Kindern mit schmutzigen Gesichtern.
    Um dieses Gewühl herum war das Forum jedoch auf drei Seiten von kleinen Tempeln und Säulengängen umgeben. Und auf der vierten Seite stand eine große Halle aus Backstein, Feuerstein und Mörtel mit einem roten Schindeldach, die alle anderen Gebäude der Stadt überragte. Regina blieb der Mund offen stehen. Außer dem Wall hatte sie noch nie ein so gewaltiges Bauwerk gesehen.
    Carausias stupste ihr sanft mit dem Finger unters Kinn und schloss ihr den Mund. »Jetzt musst du aufpassen, denn wenn die Schurken sehen, dass du abgelenkt bist…«
    »Ist das ein Tempel?«
    »Nein – obwohl es in der Basilika tatsächlich einen Schrein für Aedes, den Stammesgott, gibt, ebenso wie Schreine für Christus und den Kaiser. Schau, kannst du die Inschrift da oben lesen?«
    Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, die in den Stein gehauenen lateinischen Zeichen zu entziffern. »›Für den Kaiser Titus Caesar Vespasian, Sohn des als Gott verehrten Vespasian…‹«
    »Das ist die Basilika. Hier kommt der Stadtrat zusammen, hier regelt das Gericht Streitigkeiten, hier arbeiten die Steuer- und Zensus-Behörden – und Schulräume gibt es auch.«
    Unter der kaiserlichen Verwaltung waren die Städte die lokalen Regierungszentren gewesen. Und obwohl das Steuersystem nach der Rebellion während Constantius’ Herrschaft praktisch implodiert war, hielten die örtlichen Grundbesitzer nach wie vor das Gerichtssystem aufrecht und diskutierten darüber, wie man Abgaben erheben konnte, um die städtischen Einrichtungen wie die Abwasserkanäle, die Bäder und die Basilika selbst zu erhalten, die allmählich verfielen. Das seien alles nur provisorische Maßnahmen, erklärte Carausias immer wieder mit Nachdruck, bis der Kaiser seine Probleme bewältigt habe.
    »Aber die Leute sollten etwas mehr staatsbürgerliches

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