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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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heruntergekommenen Gasthäusern ausgegeben hatten.
    Selbst das Land war feindselig gewesen. Der Zusammenbruch der römischen Provinz hatte sich am unmittelbarsten auf die zehn Prozent ausgewirkt, die in den Villen und Städten gelebt hatten und von denen viele jetzt auf dem Land unterzukommen versuchten, so wie Regina und ihre Gruppe. Aber die Bauern waren ebenfalls betroffen gewesen, so sehr sie auch über die Steuern gemurrt hatten. Da sie keinen Überschuss mehr produzieren mussten, um die Steuern des Kaisers zu bezahlen, hatten sie ihre Arbeitslast so weit reduziert, dass sie gerade noch ihre Familien ernähren konnten. Wegen des Niedergangs der Städte gab es jedoch keine Märkte, auf denen sie etwa noch vorhandene Überschüsse verkaufen oder tauschen konnten, und es gab nirgends Handwerkserzeugnisse wie Tonwaren oder Werkzeug zu kaufen. Insbesondere an Eisenwaren herrschte großer Mangel, denn die uralte Kunst der Eisenherstellung war in Vergessenheit geraten. Viele Gehöfte wurden mit viel primitiveren Methoden betrieben, als die Vorfahren der Bauern sie schon vor Jahrhunderten angewandt hatten.
    Jedenfalls hatte es nirgends einen Platz für Regina und ihre Gruppe gegeben – keine Gastfreundschaft, keine Hilfsangebote der hungrigen, verärgerten, argwöhnischen Menschen –, und sie hatten ihr letztes Geld in überteuerten Gasthäusern gelassen. Aber das hatte keine Rolle gespielt. Wenn sie erst einmal hier waren, auf diesem Hügelhof und bei Carausias’ Freunden, würde alles in Ordnung sein.
    Doch nun waren sie hier, und es war niemand mehr da. Wieder einmal hatte man sie im Stich gelassen. Mehr denn je schien die Zukunft eine trübe, schwarze, erschreckende Leere zu sein. Regina schlang die Arme um ihren Bauch und das wachsende, hungrige Leben darin.
    Carta setzte sich neben sie. »Geht es dir gut?«
    »Keinem von uns geht es ›gut‹«, sagte Regina. »Welch ein Pech.«
    »Ja, welch ein Pech! Dieser Hof muss schon vor mindestens einem Jahr verlassen worden sein. Der arme, törichte Carausias.«
    »Hier gibt es für uns nichts zu holen.«
    »Aber wir können nirgends anders hin, und wir haben kein Geld mehr«, erwiderte Carta grimmig. »Ich finde es hier gar nicht so schlecht. Da unten ist Wasser.« Sie zeigte auf ein sumpfiges Gebiet am Fuß des grasbewachsenen Hügels und den Faden eines trägen Flusses dahinter. »Die Felder sind überwuchert, aber sie sind schon einmal bearbeitet worden; es dürfte nicht schwer sein, sie zu pflügen. Dieser Hang liegt ein wenig abseits der Straße. Vielleicht werden wir kein solches Ziel für die bacaudae sein.«
    »Wovon redest du? Wer soll die Felder pflügen? Womit wollen wir sie bezahlen?«
    »Niemand wird sie für uns pflügen«, sagte Carta verbissen. »Wir werden sie pflügen.«
    Regina starrte sie an. »Du denkst dir Märchen aus. Wir haben jetzt nichts zu essen. Wir können schon froh sein, wenn wir die Nacht überstehen. Und falls du es noch nicht bemerkt hast, es ist Herbst. Welche Feldfrüchte wachsen im Winter? Und außerdem – Carta, ich will keine Bäuerin sein.«
    »Und ich wollte keine Sklavin sein«, entgegnete Carta. »Aber ich habe es überlebt, und ich werde auch das hier überleben. Genau wie du.« Sie rappelte sich hoch und zog Regina am Arm. »Komm. Schauen wir uns die Gebäude an.«
    Regina folgte ihr widerstrebend.
     
    Die Gebäude des Gehöfts drängten sich um einen Platz aus aufgewühltem Schlamm. Es gab drei scheunenartige Bauten mit ordentlichem rechteckigem Grundriss nach römischer Art und die Überreste eines Rundhauses, eines primitiveren Bauwerks mit einem gewaltigen kegelförmigen Dach aus geschwärztem Stroh und Wänden aus mit Lehm beworfenem Flechtwerk.
    Regina trieb es zu den rechteckigen Bauten, die ihr am vertrautesten waren. Es mussten einmal gepflegte, helle Gebäude gewesen sein; sie sah Spuren von Tünche an den Wänden und ein paar leuchtend rote Ziegel, die sich noch an die Holzlatten des Daches klammerten. Eines war jedoch vollständig ausgebrannt, und die Dächer der anderen besaßen so gut wie keine Ziegel mehr und waren durchgefault. Sie ging durch einen Eingang. Der Boden war mit Schutt übersät und von einer blühenden Gemeinschaft von Unkräutern aufgebrochen worden. Etwas huschte im Halbdunkel davon.
    Carta zeigte zu dem Rundhaus. »Darin wären wir besser aufgehoben.«
    Regina rümpfte die Nase. »In diesem Matschkuchen? Ich kann es von hier aus riechen. Und schau dir nur das verfaulende Stroh an – da

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