Der Orden
haben, und sie wird dem Angriff von ein paar haarigen Sachsen standhalten.« Daraufhin ertönte ein wenig Gelächter, und Regina erkannte, wie geschickt er Einschüchterung und Humor mischte. »Aber ich brauche euch an meiner Seite. Das Land leert sich. Jedermann flieht aus Angst vor den Räubern. Wenn ihr mit mir kommt« – er zog sein Schwert, reckte es in die Luft und ließ die polierten Flächen der Klinge über seinem Kopf aufblitzen –, »dann schwöre ich vor den Göttern, dass ich und Chalybs euch bis zu meinem eigenen Tode schützen werden!« Chalybs, das er Calib aussprach, war das lateinische Wort für »Stahl«.
Die Reaktion auf seine Worte war unsicheres Schweigen.
Regina trat vor ihn hin. »Wir brauchen weder dich noch dein glänzendes Chalybs. Trotz all deiner Posen und großen Worte bist du nur ein weiterer Mordbrenner, ein weiterer Kriegsherr, genauso schlimm wie die Sachsen oder die Pikten.«
Der riothamus musterte sie. »Du hast gute Arbeit geleistet, damit ihr hier überlebt habt, Boudicca. Nur wenige haben so viel Erfolg gehabt. Ich sehe, dass du eine starke Frau bist.«
Sie funkelte ihn an. »Stark genug, um mich nicht von einem Gecken wie dir gönnerhaft behandeln zu lassen.«
Er schien sie überzeugen zu wollen. »Ich meine es ernst mit dem, was ich sage. Ich bin weder ein Sachse noch ein Pikte. Ich bin wie du. Ich bin von deiner Art. Ich bin in Eboracum aufgewachsen, wo mein Vater einer der Grundbesitzer war…«
»Ob du es ernst meinst oder nicht, ob du der Sohn eines Bürgers bist oder nicht: Du bist trotzdem ein Kriegsherr. Wenn ich mich dir unterordne, dann nur, weil ich keine Wahl habe – wegen deiner Streitmacht, nicht wegen deiner Redekunst.«
Er lachte. »Willst du mit mir handeln? Ich biete euch das Überleben, bei mir, in meinem Lager. Aber du willst mehr als überleben, nicht wahr?«
Sie starrte ihn wütend an. »Ich bin schon alt…«
»So alt nun auch wieder nicht.«
»… und es mag sein, dass ich den Tag nicht mehr erlebe, an dem die Kaiser zurückkehren. An dem wir nicht mehr wie Tiere im Boden scharren und in der Furcht vor Barbaren leben müssen. Vielleicht erlebe ich ihn nicht mehr. Aber meine Tochter wird ihn erleben, und ihre Töchter auch. Das ist es, was ich für meine Familie will. Dass sie bereit sind…« Sie verstummte, denn ihr wurde auf einmal bewusst, wie sehnsüchtig sie vor diesem stummen Muskelberg in seinem abgenutzten Kürass klang.
»Ich habe die Römer kennen gelernt«, sagte er leise. »Ich hatte im südlichen Gallien und anderswo mit ihnen zu tun. Weißt du, wie sie uns nennen? Celtae. Das heißt ›Barbaren‹. Ihr Reich ist tausend Jahre alt. Wir waren Barbaren, bevor wir aufgenommen wurden, und wir sind auch jetzt noch Barbaren. So sehen sie uns.«
Sie schüttelte kurz den Kopf. »Meine Tochter ist keine Barbarin. Und wenn wieder Normalität einkehrt…«
Er hob die Hand. »Dir liegt sehr viel daran, dass das Licht der Zivilisation nicht erlischt. Sehr schön. Aber bis dieser Tag der glücklichen Rettung naht, bis der Kaiser herbeigeritten kommt und uns sagt, was wir tun sollen, müssen wir für uns selbst sorgen. Ist dir das klar? Ja, natürlich ist es dir klar, ich sehe ja, was du hier aufgebaut hast. Ihr müsst mit mir kommen – du und deine Familie, und auch die anderen, die auf euch angewiesen sind. In den gefährlichen Zeiten, die uns bevorstehen, kann ich euch Schutz bieten… Du kannst nicht alles allein machen, Boudicca«, sagte er sanfter.
»Und wenn wir uns weigern?«
Er zuckte die Achseln. »Ich kann euch nicht hier lassen, denn was ihr aufgebaut habt, wird den Sachsen helfen.«
»Was wollt ihr tun – uns vertreiben, indem ihr Haus und Hof niederbrennt wie bei unseren Nachbarn?«
»Nur wenn es nicht anders geht«, sagte er. Aber er war reglos und stumm wie eine Statue, und sie sah seine Entschlossenheit.
Erneut stand sie vor einem Umbruch in ihrem Leben – sie würde alles aufgeben müssen, was sie aufgebaut hatte, auch die neu geschaffene Sicherheit. Doch es ließ sich nicht ändern.
»Stellt ihr Eisen her?«, fragte sie plötzlich.
»Ja«, sagte er. »Kein sehr gutes. Aber wir haben angefangen.« Er wirkte belustigt. »Versuchst du herauszufinden, woran du mit mir bist?«
»Ich möchte mich nicht mit einem Dummkopf zusammentun«, fauchte sie. »Ich bin schon zu lange auf der Welt und habe zu viele Dummköpfe sterben sehen. Wenn wir mit euch kommen, dann nicht als Gefangene, Sklaven oder auch nur als Diener. Wir
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