Der Orksammler
herschwebte.
»Ich will mich ja nicht beschweren«, hob Jorge an, der hinter Hippolit über einen feuchten Sims stiefelte, neben dem ein breiter Abwasserstrom dahingluckerte. »Aber hier unten stinkt es wie am Ufer des Cinotaksim. Und zwar im Hochsommer! Bist du wirklich sicher, dass wir hier richtig sind? Bei Batardos, ich meine, dass ein Troll mitten in der Nacht von apokalyptischem Geschrei aus dem Schlaf gerissen wird, ist eine Sache. Dass derselbe Troll anschließend ohne Mitternachtsimbiss in die miefige Unterwelt einer Totenstadt aufbrechen muss, eine andere!« Pompom streckte verschlafen ihren faltigen Kopf aus dem Ausschnitt seiner Lederjoppe und stieß ein zustimmendes Quieken aus.
»Zumindest an Ersterem trägst allein du die Schuld«, gab Hippolit zurück, ohne sich umzudrehen. Das Studium des Plans in seiner Hand nahm ihn voll in Anspruch. Nach seinen Berechnungen müssten sie schon bald die Abzweigung zu einem Stollen erreichen, der auf direktem Wege von der Kanalisation zu einem der oberen Geschosse der Katakomben führte. »Du hättest mir den Phantotas, den dieses faltige Biest mir vom Hals gerissen hatte, schließlich gleich beim Archiv zurückgeben können.«
Darüber dachte Jorge einige Augenblicke nach. Dann schüttelte er unwillig den Kopf. »Versteh ich nicht: Der Wortwurf, der ohne Vorwarnung in meinem Zimmer losgeplärrt ist, kam doch aus dem Heerlager. Oder etwa nicht? Was hatte das mit deinem dämlichen Klunker zu tun? Ich dachte, das Amulett dient allein dazu, dass Mervynia vom Institut dich orten und dir dann zielgerichtet Wortwürfe dorthin schicken kann, wo du gerade bist?«
»Quintessenziell.«
»Aber dieser Wortwurf kam, nicht von Mervynia – abgesehen davon, dass die Gute sich unterstehen würde, hochrangige IAIT-Mitarbeiter zu nachtschlafender Stunde zu stören!« Jorge tätschelte Pompom entrüstet den kahlen Schädel. »Er kam von einem Kerl namens Lemuel! Da fragt ein altes Trollsprichwort nicht zu Unrecht: Wie kann irgendein Affe vom lyktischen Heer deinen Stein orten? Und wieso hat er nichts Vernünftiges gesendet?«
Hippolit seufzte, ließ die Karte sinken und wandte sich zu Jorge um. »Ich hatte General Ortlov kurz vor unserem Aufbruch vom Lager in die Funktion meines Amuletts eingeweiht und ihm die thaumaturgische Frequenz des Steins mitgeteilt«, erklärte er. »Das sollte ihn – oder besser: einen seiner versierten Untergebenen – in die Lage versetzen, mich bei einem neuerlichen Zwischenfall zu informieren. Und genau das ist auch geschehen.« Seine Augen verengten sich, als er das kleine, runzlige Nagergesicht entdeckte, das aus Jorges Ausschnitt hervorlugte. »Hatte ich mich nicht deutlich ausgedrückt, was dieses Ungeziefer angeht? Wieso ist es noch immer bei dir?«
»Du meinst, während Pompom und ich friedlich schlummerten, ist der Mörder erneut draußen im Lager aufgetaucht und hat einen Ork einkassiert?« Ohne auf Hippolits Frage einzugehen, schob Jorge Pompom unauffällig zurück unter seine Jacke. »Und deshalb hat einer von Ortlovs Männern einen Wortwurf an deinen Anhänger geschickt?«
»So muss es gewesen sein«, gab Hippolit zurück und widmete sich wieder dem Weg. »Offenbar hatte er diese Aufgabe Meister Lemuel übertragen, der inmitten des Tumults jedoch etwas überfordert war. Es gelang ihm, eine thaumaturgische Verbindung herzustellen, aber dann brachte er keinen Ton mehr heraus. Das Einzige, was du am Zielort gehört hast, war das Geschrei der schockierten Soldaten um ihn herum.«
»Ah ja, genau. So hab ich mir das auch zusammengereimt«, behauptete Jorge und musterte mit verkniffenem Gesicht die brackig-braune Brühe, die dicht neben seinen Füßen durch das Kanalbett floss. Ein Gestank nach Exkrementen und Verwesung lag in der Luft. »Aber was machen wir hier unten? Ich habe dir doch erzählt, dass Pompom und ich die unheimliche Gestalt oben gesehen haben, in einer Seitengasse.« Jorge grübelte kurz. »Das muss gewesen sein, als sich das Biest gerade auf den Weg zum Heerlager gemacht hat!«
»Quintessenziell. Du scheinst unseren Mörder quasi beim Aufbruch beobachtet zu haben.«
Jorges breites Gesicht verfinsterte sich. »Das Vieh soll mir bloß noch mal begegnen. Dann lasse ich es meine Erwischerfäuste schmecken!« Er setzte eine entschuldigende Miene auf. »Weißt du, M.H., es war ja bloß die Müdigkeit! Wären Pompom und ich nicht so kaputt gewesen nach einem harten Tag auf den Aschehalden und so weiter, wir hätten natürlich
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