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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Zähne bewaffneten Aufräumtrupp wie dem Kommando G lange genug Widerstand hätte leisten können, um insgesamt fünfhundert Leichen zu rauben. Und drittens, weil ein Ghoul, der damals in Torrlem umgegangen wäre, heute über tausend Jahre alt sein müsste; Hippolit kannte sich mit der durchschnittlichen Lebenserwartung von Ghoulen zwar nicht aus, die Vorstellung erschien ihm dennoch grotesk.
    Ein letztes Mal nahm er sich die Auflistung der zwischen 2202 und 2299 gelieferten und anschließend von den Thaumaturgen der Grabstadt mit Stasis belegten Leichen vor. Im Hintergrund summte Eftar debil vor sich hin.
    Da stand es schwarz auf weiß: eine Differenz von fünfhundert Einheiten. Zu viel für einen einzelnen Ghoul. Die Idee war lächerlich, er verschwendete seine Zeit.
    Hippolit schleuderte die Liste auf den Stapel und wollte sich endlich auf die Suche nach einem Lageplan der Silos machen, als sein Blick zufällig eine Fußnote am unteren Rand des Blattes erfasste. Er las sie, schaute weg. Er runzelte die Stirn, sah wieder hin. Als er sicher war, dass er sich nicht getäuscht hatte, nahm er das Papier langsam vom Haufen und starrte es an.
    Die farblosen Härchen auf seinen Unterarmen stellten sich auf. Eine Gänsehaut rieselte wie kalter Schleim sein Rückgrat hinab. Am anderen Ende des Saales pfiff Eftar eine primitive Kinderweise.
    Er hatte sich getäuscht. In der Aufstellung war nicht von einzelnen Leichnamen die Rede gewesen. Aus logistischen Gründen hatte man die Toten in größeren Zähleinheiten erfasst. Und erst in der Fußnote wurde der Schlüssel zur Umrechnung angegeben: eins zu tausend.
    Hippolit schluckte trocken, als ihm bewusst wurde, was das bedeutete: Nicht fünfhundert Leichen waren während einer Zeitspanne von fast hundert Jahren aus den Katakomben Torrlems verschwunden.
    Es waren fünfhunderttausend gewesen!

24
     
     
    Als er in dem unbequemen, viel zu kurzen Bett hochfuhr, wusste Jorge nur, dass ihn etwas geweckt hatte. Was, war ihm gänzlich unklar.
    Benommen setzte er sich auf und sah sich in dem engen grauen Zimmer um. Abgesehen von dem krude gezimmerten Bett, das seinen Trollkörper gerade mal bis zu den Knien aufnahm, gab es keinerlei Möbel, lediglich ein schmales, glasloses Fenster. Die steinernen Wände waren nackt, die Luft schmeckte nach feuchtem Mörtel.
    Er erinnerte sich undeutlich, dass er geträumt hatte. Aber er wusste nicht mehr, worum es in dem Traum gegangen war. Nur vage Eindrücke – ein unförmiger Schatten auf dem Kopfsteinpflaster einer leeren Straße; ein dumpfes Geräusch wie von tausend Hornissen. Und überall Asche, die in die Höhe wirbelte, sich verdichtete und zu halb transparenten Körpern zusammenballte – unzählige Tote, die mit langen Fingern nach ihm griffen …
    Das Herz hämmerte schmerzhaft gegen seinen Brustkorb. Was hatte ihn so abrupt aus dem Schlaf gerissen? Vernebelt erinnerte er sich daran, ein Knacken gehört zu haben, lauter als das Dröhnen in seinem Traum. War es Pompom gewesen, die ebenfalls einen Albtraum durchlebte? Automatisch tastete er auf dem Boden neben dem Bett nach der Vulvatte.
    Pompom hatte sich am Kopfende zu einem fleischigen Haufen zusammengerollt. Als Jorges Finger die warme Haut berührten, hob sie den Kopf, stieß ein kurzes Gurren aus und rollte sich wieder zusammen.
    Jorge wartete, bis sein Blut wieder gleichmäßig zirkulierte, Atem und Herzschlag sich beruhigt hatten, und pellte die Decken von seinem Körper, in denen er sich verheddert hatte. Sie waren schweißdurchtränkt. Normalerweise hatte Jorge einen unerschütterlich tiefen Schlaf. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal einen Albtraum gehabt hatte.
    Wohl, die trostlose Unterkunft mochte etwas damit zu tun haben. Die Pension, in der die Stadtverwaltung ihnen zwei Zimmer für die Nacht organisiert hatte, war eine miese Absteige, aber als Auswärtiger musste man sich in Torrlem wahrscheinlich glücklich schätzen, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben.
    Nach der Begegnung mit dem unheimlichen Schatten war Jorge eine halbe Ewigkeit durch düstere Seitenstraßen gestolpert, bis er das Gästehaus schließlich, mehr durch Zufall als durch sein bewusstes Zutun, gefunden hatte. Es war ein windschiefes Gebilde am Rand eines verwaisten, rechteckigen Platzes, das sich, seines Daseins müde, gegen ein Nachbargebäude lehnte. Der Boden davor war mit Müll und Ascheverwehungen bedeckt. Es gab kaum Fenster, nur schmale Öffnungen, die Jorge an

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