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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Schießscharten erinnerten.
    Am Empfang saß ein Greis, der bereits uralt gewesen sein musste, als man den Kasten vor etlichen Jahrzehnten errichtet hatte. Wortlos reichte das Relikt Jorge den Zimmerschlüssel.
    Das Schlimmste von allem: Das Gästehaus hatte keine Bar, keinen Schankraum – kein Alkohol, mit dem Jorge sich ein wenig hätte zerstreuen können. So hatte er sich notgedrungen mit Pompom auf sein Zimmer zurückgezogen, wo er das Phantotas-Amulett, das der kleine Frechdachs vor dem Archiv von Hippolits Hals gerissen hatte, sorgfältig über einen Pfosten des Bettes hängte. Sicher würde sein Besitzer bald eintrudeln. Dann konnte Jorge es ihm zurückgeben und Hippolit von seiner unheimlichen Begegnung berichten. Etwas Konversation würde ihm guttun, das spürte Jorge.
    Abermals tätschelte er Pompoms fleischigen Nacken. In seinem Kopf herrschte ein seltsames Schwindelgefühl. Er fragte sich, ob das von der Asche in der Luft kam.
    Etwas knackte. Ein Rauschen lag plötzlich in der Luft. Jorge fühlte sich an das Hornissengeräusch aus seinem Traum erinnert.
    Eine Stimme brüllte: »… Krieger zu den Waffen!«
    Jorge riss überrascht den Kopf hoch. Er war allein im Zimmer, das ließ sich trotz des schwachen Schimmers, der durch das Schießschartenfenster drang, deutlich ausmachen. Er sprang vom Bett und warf einen prüfenden Bück durch die schmale Öffnung hinunter auf die Straße.
    »… schon wieder passiert!«, schrie jemand. »Jemand muss den General verständigen!«
    Die Straße unter Jorges Fenster war menschenleer. Nichts rührte sich.
    Jorge spürte, wie sich kalter Schweiß auf seinem Rücken sammelte.
    »Bin ich jetzt etwa total durchgedreht, Pompom?«, murmelte er, wohl wissend, dass die Vulvatte tief und fest schlief. »Ein altes Trollsprichwort besagt: Sobald du anfängst, Stimmen zu hören, solltest du über die Rente nachdenken!«
    Jemand schrie, laut und durchdringend, in Todesangst.
    Jorge fuhr zusammen. Der Schrei war aus der Mitte des kleinen Zimmers gekommen, keine drei Fuß von ihm entfernt!
    Er rammte sich die Finger in die Gehörgänge und pulte alles heraus, was sich dort im Laufe der Zeit angesammelt haben und möglicherweise seine Wahrnehmung verfälschen mochte. Neben einer beachtlichen Ansammlung von Ohrenschmalz und einem toten Käfer förderte er hauptsächlich graue Asche zutage.
    »Hat jemand gesehen, wie es passiert ist?«, brüllte eine Männerstimme.
    »Soldat Zwerski hat es gesehen!«, gellte eine andere Stimme. »Es war riesig! Groß wie ein Baum!«
    »Wo ist Hauptmann Tborowski, verdammt noch mal?«
    »Ist der General schon verständigt?«
    »Wir brauchen hier mehr bewaffnete Männer!«
    Jorge versuchte zu schlucken, doch er hatte nur den Geschmack von Asche im Mund. Kein Zweifel, die Stimmen kamen aus der leeren Luft seiner Kammer!
    »… anders als jeder Mensch oder Ork. Das war niemals eine von Lorgon geschaffene Kreatur «
    »Es lief auf zwei Beinen!«
    »So schnell …«
    »Ein lebendiger Albtraum! «
    In dem Gewirr von aufgeregten Schreien und Waffengeklirr ertönte plötzlich eine einzelne Stimme, die Jorge zu kennen glaubte: Es war die des Orkhauptmanns mit Namen Zborowski.
    »Verdammt, was stehen Sie hier so dämlich im Weg herum, Lemuel? Machen Sie gefälligst Platz! Wir müssen hinter der Kreatur her. Vielleicht ist es für den entführten Wachposten noch nicht zu spät! «
    Das Rauschen wurde lauter. Ein erneutes Knacken, dann war es schlagartig wieder still.
    Verwirrt blieb Jorge einige Augenbücke mitten im Raum stehen.
    »Manchmal wünschte ich, ich wäre eine Vulvatte«, murmelte er und kehrte zum Bett zurück, wo Pompom nach wie vor selig schlummerte. »Das Leben als Troll kann manchmal so verwirrend sein …«
    In diesem Augenblick klopfte es an die Tür.

25
     
     
    Nach dem ewigen Dämmerlicht in den Straßen Torrlems, das Hippolit zuletzt so unsympathisch und bedrohlich erschienen war, hatte die Finsternis der Stollen für ihn beinahe etwas Beruhigendes.
    Mithilfe der Karte, die er im Archiv angefertigt hatte, war es ihm nicht schwergefallen, einen Einstieg ins Kanalnetz ausfindig zu machen. Wie es der Zufall wollte, befand sich dieser nur ein paar Straßenzüge vom Gästehaus entfernt, wo er Jorge in einem Zustand nachhaltiger Verwirrung auf seinem Bett sitzend angetroffen hatte. Seitdem eilten sie durch scheinbar endlose Tunnel mit fünfeckigem Querschnitt, eingehüllt in das orangefarbene Licht eines wagenradgroßen Clutglobulus, der vor ihnen

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