Der Osmanische Staat 1300-1922
KöHBACH hat dargelegt, wie Istanbul versuchte, sich Tepedelenli All Paschas zur Eindämmung
des unruhigen Vasallen zu versichern [689]. Die Frage, ob „nationales Bewußtsein und Denken" Kara Mahmüd Pascha, den wichtigsten Exponenten der Bu§atli,
bestimmt haben, beantwortet KÖHBACH mit einem vorsichtigen Ja. SAKAOCLU hat
für sein schönes Portrait der Köse-Pascha-Familie nicht nur lokale Archive in
Sivas und Divrigi, sondern auch persönliche Oberlieferungen und Erinnerungen
von Personen benutzt, die zwischen 1865 und 1910 geboren wurden [599]. Hier
wird auch gezeigt, wie die meisten Familien nach einigen Jahrzehnten als „Talfürsten" zum beschaulicheren Dasein eines Gutsbesitzers zurückkehren.
c) Geld- und Finanzgeschichte
Geldgeschichte
Nach Jahrzehnten intensiver Forschung türkischer und ausländischer Spezialisten
liegt jetzt in dem Werk von PAMUK eine moderne, weit über „numismatische"
Detailfragen hinausblickende Synthese vor, die alle osmanischen Regionen berücksichtigt. PAMUK kombiniert numismatische mit archivalischen Daten. Die
Rolle des Staates wird bei den drei einschneidenden Münzverschlechterungen
(tagiii) bzw. Inflationen der osmanischen Geschichte herausgestellt [585]. Eine
knappere Übersicht für die Zeit bis 1750 erklärt schlüssig die Ursachen der
Übergänge vom „Silbermonometallismus" der Frühzeit über den Bimetallismus
(ab Mitte 15. Jahrhundert) und den kurzfristigen Trimetallismus (Gold-Silber-
Kupfer) bis zur Rückkehr zur Goldund Silberwährung. Der Zustrom amerikanischen Silbers und die vorübergehende Einstellung der einheimischen Münzprägung nach 1640 sind dramatische Höhepunkte einer Entwicklung, die der
Verfasser als Bestätigung des Greshamschen Gesetzes vorführt: „Schlechteres
Geld verdrängt das gute aus dem Zahlungsumlauf" [587: SAHILLIOGLU].
Budget
„Staatsbilanzen" sind ein Begriff, der sich besser als das eingebürgerte Wort
„Budget" eignet, um die amtlichen Zusammenstellungen von Einnahmen und
Ausgaben des osmanischen Staates zu bezeichnen [586: MAJER u. Tab. 5]
INALCIK erkennt den Hauptzweck dieser Bilanzierungen in der Feststellung von
Überschüssen, die dem inneren Schatz zuflossen, der zugleich die „Reserve-Bank"
für den eigentlichen Staatsschatz bildete [581]. Besonders detailliert sind die
entsprechenden Abschnitte in TABAKOGLUS allgemeiner Wirtschaftsgeschichte
[582]. Mehrere Forscher (u. a. YAVUZ CEZAR) haben sich inzwischen auch mit
den Budgets einzelner Provinzen befaßt.
d) Militärwesen (einschl. Technologie, Kriegsfinanzen und Logistik); Marine
Allgemeines
Logistik
Nach der in die Zeit der großen Türkenkriege zurückreichenden Beschreibung des
osmanischen Heeres durch den 1678 geheimdienstlich wirksamen Grafen MARSIGLI [602; 603: STOYE] erschien kein ähnlich umfangreiches Panorama des
klassischen Heereswesens. Den Forschungsstand bis Anfang der 1970er Jahre
markiert ein Sammelband [604: PARRY U. YAPP (Hg.)]. Einen viel größeren
Raum als die physischen Konflikte nehmen in jüngeren Untersuchungen logistische Fragen ein. GÜI;ER [605] verfolgte u. a. die Versorgung des Heeres mit
Nahrungs- und Futtermitteln im Zusammenhang mit dem Ostfeldzug von 1637/
8. Die Arbeit des BARKAN-Schülers ist eine Pionierstudie, insofern sie „BRAUDEL'sCHE" Fragen an die osmanischen Register richtet. Sie behandelt vor allem die
Verpflichtung der Bauern, entlang der Heerstraßen Depots anzulegen (sür-sat),
und die staatlichen Ankäufe (iitirä) während des Feldzugs. FINKELS Buch [606]
wandte sich gegen die von ungarischen Militärhistorikern vertretene Auffassung
von einem um 1600 erreichten Aktionsradius, der weitere osmanische Mili täroperationen in Mitteleuropa zum Scheitern verurteilte. Die osmanischen
Truppen seien in Ungarn auf vorbereitete Nahrungsmitteldepots getroffen, sie
waren besser ernährt und höher besoldet als die ihrer Hauptgegner.
Die meisten Untersuchungen über die Lehensreiterei der Provinzen sind mit
dem Studium des t:mar-Systems verbunden. Eine zusammenfassende Darstellung
der sipähis fehlt, doch wurden Einzelthemen wie der Einsatz von Feuerwaffen
oder die schwerwiegende Problematik der Überwinterung in großer Entfernung
von der Heimatprovinz behandelt [607: VEINSTEIN]. Die Festungen in Ungarn
bzw. der Slowakei und ihre Besatzungen im späten 16. Jahrhundert sind das
Thema von zwei mikrohistorischen Untersuchungen, die sich gut als Fallbeispiele für das Vorgehen
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