Der Osmanische Staat 1300-1922
wurde unter dem hochgebildeten Münif Pascha als
Organ der Osmanischen Wissenschaftlichen Gesellschaft (Cemiyet-i Ilmiye-i
Osmäniye) veröffentlicht. Zeitgenossen gingen so weit, ihre Wirkung auf die
jüngere osmanische Leserschaft mit Diderots Enzyklopädie im Frankreich des
18. Jahrhundert zu vergleichen. Die langlebige Servet-i Fünün („Reichtum der
Wissenschaften", 1891-1944) entwickelte sich von einem dem wissenschaftlichtechnischen Fortschritt verschriebenen Volksbildungsorgan zu der führenden
Literaturzeitschrift. Die Zeitschriften nach 1908 bildeten die Foren für alle
wichtigen politischen und intellektuellen Strömungen, insbesondere turkistische
(Türk Dernegi, 1911, Türk Yurdu, 1913-1914, Genf Kalemler, Saloniki 1911-
1912) und islamisch-reformistische Richtungen (Saat-: Müstakim bzw.
Sebilürreiäd, ab 1908). In das Spektrum gehören auch Frauen- und Kinderzeitschriften und die zahlreichen satirischen Magazine.
2. MUSIK
I)ie Zeremonialgesänge der Mevlevis, die Lobgesänge auf den Propheten (na't)
und andere Hymnen (ilähi) sind bekannte Äußerungsformen der osmanischen
Religionskultur. Ein biographisches Sammelwerk wie das des Scheichülislam
Es'ad Efendi erfaßt etwa 100 Komponisten des 17. und 18. Jahrhunderts. Sultan
Selim III. ragt als Komponist religiöser und weltlicher Musik heraus. Beachtlich ist
der armenische Beitrag zur osmanischen Kunstmusik. Der erste Notendruck erfolgte durch einen Haci Emin Efendi (1875 oder 1877). Bis dahin basierte die
türkische Musikpraxis auf einem exzellenten auditiven Gedächtnis. Das Ansehen
der ausübenden Musiker wuchs mit der Beherrschung eines großen Teil des (heute
auf 25 000 Stücke geschätzten) klassischen Repertoires. Die moderne Militärmusik
wurde von Giuseppe Donizetti 1827 eingeführt und löste die Jahrhunderte alte
Janitscharenkapelle (Mehter-häne) ab. Nachdem schon im 19. Jahrhundert in
vielen Harems Pianos standen, wurde 1914 mit dem Därülelhän ein modernes
Konservatorium eröffnet.
3. KUNST UND ARCHITEKTUR
Kalligraphie
Buchmalerei
Die Kalligraphie genoß unter allen künstlerischen Betätigungen das größte Ansehen. Sie erreichte ihren unbestrittenen Höhepunkt im 18. und frühen
19. Jahrhundert. Schönschriftmeister (hattät) produzierten nicht nur Koran-
Handschriften oder Werke der Poesie, sondern lieferten auch die Vorlagen für
zahllose Grab- und Bauinschriften. Die osmanische Buchmalerei ist zum überwiegenden Teil nicht nur für den Palast, sondern auch in den Werkstätten des
Palastes erzeugt worden. Im nakkä£häne („Haus der Maler") des Topkapi-Sarayi
wurden Manuskripte illuminiert und illustriert. Eine wichtige Rolle bei der
Herausbildung des osmanischen künstlerischen (und literarischen) Geschmacks
spielten die Eroberungen im Osten (v.a. von Täbris/Iran 1514 und Kairo 1517
unter Selim 1.). Die Beute schloß nicht nur kostbare Handschriften, Gefäße und
Textilien ein, sondern auch die Kunsthandwerker, die sie verfertigen konnten. Für
das 16. und 17. Jahrhundert sind illustrierte Annalen und topographische Werke
über Feldzüge oder Seeatlanten („Portolane") kennzeichnende Erzeugnisse der
osmanischen Malerei. Die Porträtmalerei war fast ganz auf die Darstellung von
Herrschern beschränkt, andere Persönlichkeiten sind selten zu finden, Frauen so
gut wie nie. Religiöse Malereien fehlten nicht vollständig. Eine 1595 abgeschlossene Prophetengeschichte enthielt ursprünglich 814 Illustrationen aus
dem Leben Muhammads. Nach Osmän II. (1618-1622) wurden keine illustrierten Annalen mehr hergestellt, auch andere historische Werke wurden in
den folgenden Jahrhunderten kaum bebildert. Recht bekannt sind die detailreichen Darstellungen von Hochzeiten und Beschneidungsfeierlichkeiten
unter Muräd IIL (Sürnäme von 1582) und Ahmed III. (1703-1730). Nach dem
Tode des herausragenden Levni (1732) siechte die osmanische Malerei nur noch
dahin. Sie war schon tot, bevor die Fotografie (um 1845) in Istanbul ihren Einzug
hielt. Allerdings erschien jetzt, vor allem in der weit verbreiteten Landschaftsmalerei, zunehmend die Perspektive, während die herkömmliche Miniaturenkunst eine dritte Dimension nicht kannte. Ausgangspunkt war das
Istanbul Selim III., von wo aus sich diese neue Malerei v.a. auf die Landhäuser
der Oberschicht im anatolischen und rumelischen Teil des Reiches verbreitete. Menschliche Wesen fehlen auf diesen Abbildungen. Das gilt übrigens auch für die
Häuser
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