Der Osmanische Staat 1300-1922
BRUMMET [309] hat jetzt einen starken Akzent auf
die osmanische Flottentätigkeit im östlichen Mittelmeer gelegt, das sie v.a. angesichts der Bestrebungen, sich auch in den indischen Seehäfen die Zolleinnahmen
anzueignen, nicht mehr nur als „backwater" der großen Umwälzungen sehen möchte. Damit wendet sie sich zugleich gegen die Auffassung BRAUDELS, die
osmanische Hegemonie habe sich in diesem Raum erst entwickelt, als die
westeuropäischen Seemächte das Interesse an ihm verloren hatten.
Türkenkriege
Quellen und Literatur zu den österreichischen Türkenkriegen wären unüberblickbar, wenn nicht die Säkular- und andere Gedenkfeiern zu den zwei
Belagerungen Wiens (1529, 1683) den Anlaß für Bibliographien [310: STURMINDER], Forschungsberichte [z. B. K. TEPLY In: 314: ABRAHAMOWICZ (Hg.)]
und besonders materialreiche Ausstellungskataloge [wie 114; 780] geliefert hätten. Zur Kriegsführung selbst vergleiche man das Kapitel „Militärwesen". Das
Verdienst KREUTELS bestand in der Erschließung und Übersetzung neuen und der
quellenkritischen Durchsicht bekannten türkischen Quellenmaterials vor allem
zum „Türkenjahr" 1683 [110]. Eine gute allgemeine Übersicht zu den „großen"
Türkenkriegen ist das Buch von BARKER [312].
Wien
Auf die Frage nach den Gründen für den türkischen Vorstoß nach Wien wurde
mehrere, sich zum Teil ausschließende Antworten gegeben. Ein Teil der Autoren
nennt durchaus auch „irrationale", mit Prestigeerwerb oder anachronistischen
Glaubenskämpfer-Stereotypen verbundene Motive [313: LEITSCH]. ABRAHAMoWICZ bringt vor, daß der Großwesir aus wirtschaftlicher Not alles auf einen
erfolgreichen „Blitzkrieg" setzte. Zwei Sammelbände enthalten Darstellungen der
Literatur in der Forschung der wichtigsten Staaten, einschließlich der Türkei [314:
ABRAHAMOWICZ (Hg.); 315: BUSZKO u. LEITSCH (Hg.)].
Karlowitz
Die Friedensverhandlungen von Karlowitz (1698/99) sind von exemplarischer
Bedeutung im Zeitalter der Kongreßdiplomatie, in dem die Osmanen auf englische
bzw. niederländische Vermittlung angewiesen waren und erstmals eine feste
Grenzziehung akzeptieren mußten. Für ein Verständnis der osmanischen Haltung fehlten bis zu den Arbeiten von R. A. ABOU-EI.-HA) [319; 320] Auskünfte
über die außenpolitische „Doktrin" der türkischen Seite und ihre Verhandlungsführung. Das gilt insbesondere für ihre Auffassung vom Prinzip des uti
possidetis, auf das man sich allerdings MENAGE zufolge schon im 15. Jahrhundert
als Grundlage von Friedensschlüssen berufen hatte [318]. Zu Unrecht vergessen,
wenn auch ganz aus der Perspektive des holländischen Vermittlers Colyer geschrieben, ist ein großer Aufsatz von J. H. HORA SICCAMA [321].
Orientalische Frage
Die „Orientalische Frage" einschließlich der Meerengenproblematik in ihrer
Komplexität ist kein beherrschendes Forschungsthema der Osmanistik [Literatur
bei 17: KREISER, Nr. 647-678]. Nach wie vor die beste Übersicht für die Jahre
1774-1923 bildet das mehrfach aufgelegte Werk von ANDERSON [323] mit seiner
umfangreichen annotierten Bibliographie. Ein kurioser, aber lesenswerter Kommentar zu den Teilungsplänen des Westens ist das Buch des rumänischen Diplomaten D1uvARA, verfaßt am Vorabend des Weltkriegs Cent projets de partage
de la Turquie " [324].
Italien
Eine Gesamtdarstellung der italienisch-türkischen Beziehungen hat sich $.
TURAN vorgenommen [325]. Unter den zahlreichen Arbeiten über einzelne italienische Staaten können hier nur wenige neuere angeführt werden. Zu den
Abkommen zwischen Venedig und den Osmanen von 1482 bis 1641 gibt es ein
gewichtiges Werk [326: THEUNISSEN]. Über die venezianischen Gesandten (bau)
an der Pforte informieren COCO U. MANZONETTO [327]. Aus den zahlreichen
quellenkundlichen Beiträgen ragen die von GÖKBILGIN [328], sowie BOMBACI und
SEBASTIAN [329] heraus. Zu den Handelsniederlassungen von Venedigs Rivalin
Genua im östlichen Mittelmeer und v.a. im Schwarzen Meer gibt es neben den
Werken von FLEET [331] und BALARD [332] eine Anzahl osmanistischer Studien
über die Kolonie Galata, die sich schon am 1.6. 1453 den Türken unterwarf [333:
ELDEM (Hg.)].
Genua
Tripolitanien
Das letzte Kapitel der italienisch-osmanischen Beziehung war die Besetzung
der afrikanischen Provinzen Trablus und Bingäzi. Es steht in engem Zusammenhang mit der Großmachtspolitik und der aus dem Tripolis-Krieg hervorgegangenen Okkupation des Dodekanes. Die Arbeit von
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