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Der Osmanische Staat 1300-1922

Der Osmanische Staat 1300-1922

Titel: Der Osmanische Staat 1300-1922 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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bestehende Einrichtungen nicht mehr
neben reformierten weitergeführt, sondern der Vergangenheit überantwortet
wurden. Diese Diskontinuität unterscheidet die Tanzimät von früheren Reformkonzepten [449: SHAW]. Die Frage nach dem Charakter der Tanzimät-
Reformen beginnt schon bei einer angemessenen Übersetzung des Epochennamens. ORTAYLI schlägt vor, wie schon ARISTARCHI BEY [200], den Begriff
Legislation für diesen dem Metternichschen System nicht unähnlichen „aufgeklärten Depotismus" zu verwenden. Auf keinen Fall hätten die Politiker und
Bürokraten der Epoche eine unreflektierte, mechanische Rezeption französischer
Gesetze und Verwaltungseinrichtungen angestrebt [450]. Die Auffassung, daß die
Reformen ä contre coeur durchgesetzt wurden um stärkere westliche Mitsprache
zu verhindern, treibt TIMUR mit seiner These vom „heimlichen Widerstand" im
Grunde reformfeindlicher Staatsmänner auf die Spitze [451].
    Gülhäne
    Die moderne Forschung, sowohl die allgemein- als auch die rechtshistorische,
ist sich durchaus nicht einig bei der Bewertung des als octroi verfügten Reform-
Dekrets von Gülhäne (1839). Manchen Autoren gilt es als „charte constitutionelle", was richtig ist, „wenn man auf die Quelle seiner Geltung und seinen
intendierten Normcharakter, auf seinen Inhalt mit einer Ansammlung von
Leitprinzipien abstellt, an die die zukünftige Gesetzgebung und Verwaltung
gebunden sein sollen" [452: RUMPF]. Andere weisen auf die fortbestehende
Handlungsfreiheit des Pädi~ähs und das Fehlen politischer und verfassungsrechtlicher Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung dieser Prinzipien
hin. INALCIK hat den Anschluß an herkömmliche Garantie-Erklärungen vom
Typus adälet-näme gesehen. Eine neue Lektüre im Sinne der islamischen Ordnungsvorstellungen schlägt ABU-MANNEH vor [453]. Er weist auf schon unter
Mahmüd II. eingeleitete Reformmaßnahmen hin, zu denen neben der Einrichtung
des „Obersten Rats für Rechtsangelegenheiten" (Meclis-i Välä-i Ahkäm-i Adliye) [465: SEYITDANLIOüLU] die Strafgesetzgebung von 1838 gehört, welche die Konfiskation des Vermögens hoher Staatsdiener (müsädere) - zumindest bei „unberechtigter" Bereicherung - abschafft. Gleichzeitig erkennt ABU-MANNEH in
der Umgebung des jungen Herrschers ulemä und Bürokraten, die für den hochorthodoxen Halidiye-Zweig der Nakebandiye-Bruderschaft standen. Keine Bestimmung des hatt von Gülhane stünde im Gegensatz zur Scheriat, von
Rechtsgleichheit zwischen Muslimen und Nichtmuslimen sei nirgendwo die
Rede.

    Allgemeine Werke
    Bereits im 19. Jahrhundert entstand eine Anzahl gut unterrichteter Werke, die
man als die Historiographie gelehrter Konsuln bezeichnen könnte. E. ENGELHARDT war französischer Konsul in Serbien und Botschafter in Konstantinopel
[454]. GEORG ROSEN wirkte in Jerusalem und Belgrad [455]. Auch F. EICHMANN
stand in preußischen Diensten [456]. A. D. MORDTMANN vertrat die Hansestädte.
Sein unter Pseudonym erschienenes „Stambul und das moderne Türkentum"
(Leipzig 1877-1878) gehört mit seinen scharf gezeichneten Porträts von Politikern zu den wichtigsten politjournalistischen Arbeiten der Zeit. Von einer
Lektüre sollte man sich auch nicht durch den maliziösen Grundton abhalten
lassen [457]. Sir HENRY G. ELLIOT [459] war für England auf Posten in Athen
und Istanbul, 0. v. SCHLECHTA-WSSEHRD diente als österreichischer Dragoman in
der osmanischen Hauptstadt [459]. ENGELHARDTS Buch behält trotz vieler Irrtümer und seiner Überbetonung der Gleichheitsansprüche der Nichtmuslime
seinen Wert als einzige den Tanzime t als Reformperiode gewidmete westliche
Untersuchung bis zum Erscheinen von R. DAvISONS umfassender Darstellung.
Dieser beschreibt den Weg vom Pariser Frieden bis zur Konstitution von 1876
unter besonderer Berücksichtigung der diplomatischen Quellen. Es ist eine der
seltenen Arbeiten zum osmanischen 19. Jahrhundert, die verdienter-weise von der
allgemeinen Historiographie zur Kenntnis genommen werden. Seine annotierte
Bibliographie ist besonders brauchbar [464]. Ein erstes Resümee der türkischen
Forschung enthält der zum 100. Jahrestag des Edikts von Gülhane herausgebene
Band „Tanzimat". Fünfzig Jahre später erfolgten weitere Bilanzkonferenzen [460;
461; 462]. Die erstmalige Verwendung italienischer Archivalien macht das Buch
von E. DE LEONE unentbehrlich [463].
    Mahmud 1I., Mustafä
Re;id Pascha und
andere Staatsmänner

    Nur wenigen

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