Der Outsider-Stern
ohne die geringste Mühe das Fenster ein. Nur ein leises Knirschen und ein kaum vernehmliches Klirren der Scherben, die auf den Teppichboden fielen, ertönten beim Eindringen des Sleeths, und die gräßlichen Pranken griffen nach Molly.
Sie sog Luft in ihre Lungen, um laut zu schreien, doch aus den blinden Augen schoß etwas wie ein Blitz. Das Phänomen betäubte sie augenblicklich. Sie glaubte zu fallen, fallen ...
Quamodian erwachte im schmerzhaft hellen Tageslicht, das durch die Fenster fiel. In seinem Kopf pochte es, seine Glieder schmerzten. Er fühlte sich auf unbestimmbare Weise krank, und im ersten Moment wußte er nicht, wo er sich befand. Dann erinnerte er sich. Der Plasmabeschuß von der Sonne. Der Reefer und sein Sleeth. Cliff Hawks Tod. Die Geburt des Outsiders ... Er setzte sich auf.
An die Lehne der Couch war ein Zettel geheftet, von ungeschickter Hand mit einem Text in plumpen Buchstaben bekritzelt.
Prediger, ich gehe zu Miß Zaldivars Eltern, um ihnen zu sagen, daß sie gesund ist. Ich habe niemanden geweckt, weil ich glaube, alle können den Schlaf gebrauchen. Essen ist in der Küche.
Rufe
Nach dem mächtigen Schnarchen zu urteilen, das aus der Kammer drang, die Rufe dem Reefer zugewiesen hatte, schlief er noch immer. Molly sicher auch. Er lauschte vor der Tür ihres Zimmers, eine Hand am Griff. Schließlich entschied er, daß es sinnlos wäre, sie zu stören. Und in der Nacht konnte sie sicherlich nichts behelligt haben, ohne seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er trat aus dem Haus in den klaren Morgen.
Irgend etwas an diesem Morgen jedoch war höchst seltsam. Die Farben stimmten nicht. Am Himmel stand keine Wolke, doch alles wirkte düster wie vor einem Sturm. Quamodian blickte auf und sah den Grund. Die Sonne, rot und finster, hatte ihre gestrige Kränkung noch nicht überwunden. Sie glich nicht der Sonne, die Menschen in vielen tausend Büchern und Liedern beschrieben hatten. Vielmehr ähnelte sie jener medusahäuptigen Sonne des Planeten, auf dem Clothilde Kwai Kwich sich aufhielt.
Quamodian umquerte die Sternenkirche in weitem Bogen und erkundigte sich bei einem Bürger nach dem Weg zum Haus von Molly Zaldivars Eltern. Eine halbe Stunde später traf er Juan Zaldivar an einem Rain, wo er eine grüne Farmmaschine adjustierte. Er lächelte Quamodian mit weißen Zähnen an, ein großer, entspannter, gesunder und gutaussehender Mann mit vollem Haar.
»Ich mache mir Sorgen um Molly«, begann Quamodian das Gespräch.
»Ich auch.« Zaldivar nickte. »Sie beschreitet einen bösen und gefährlichen Weg. Doch Almalik verbietet es, jemanden zu seinem Heil zu drängen. Sie muß sich aus eigener Überzeugung für die Visitanten entscheiden.«
»Nein, das meine ich nicht. Ist Ihnen klar, daß sie beinahe durch etwas ums Leben gekommen wäre, das ich für einen Outsider-Stern halte?«
»Wie schrecklich!« Juan Zaldivar wirkte aufrichtig entsetzt. »Wir müssen sofort etwas tun. Sie müssen ihr begreiflich machen, daß Almalik ihr einziger Schutz ist. Sie darf nicht länger zaudern.«
»Nein, nein. Hören Sie mir zu. Es geht nicht allein um Molly, es betrifft den ganzen Sternenorden, das gesamte Universum ist bedroht. Haben Sie eine Vorstellung, wozu ein Outsider fähig ist? Schauen Sie zur Sonne.«
Zaldivar betrachtete die rote, verquollene Sonne aus verkniffenen Lidern. »Seltsam.« Er nickte.
»Mehr als seltsam. Tödlich! Gefährlich!«
»Für Molly?« Zaldivar schien ehrlich verwirrt zu sein. »Ich verstehe Sie nicht recht, Monitor Quamodian. Wenn Sie zum Ausdruck bringen wollen, daß Molly sich in Gefahr befindet, obschon ich Sie eben gegenteilig zu verstehen glaubte, nun, ja, darin pflichte ich Ihnen bei. Sie schwebt in Gefahr. Genauso wie Sie. Wie alle, die das Geschenk des Friedens noch nicht von den Visitanten angenommen haben.«
Quamodian holte tief Atem. »Im Namen Almaliks, Mr. Zaldivar, bitte tun Sie mir einen Gefallen«, sagte er mühsam beherrscht. »Sie stehen über die Visitanten in Verbindung mit den Lebenden Sternen. Richten Sie ihnen meine Warnung aus.«
»Ich habe Almalik bereits unterrichtet«, antwortete Zaldivar gemütvoll.
»Gut.« Quamodian seufzte. Er fühlte sich ein wenig erleichtert. »Da ist ein Rätsel, das zu lösen Sie mir helfen können. Warum kam es gestern zu dem Plasmabombardement? Hat Almalik es ausgelöst?«
»Nein.« Zaldivar schüttelte den Kopf. »Das war eine Gewalttat. Nach unseren Informationen verursachten die Plasmastrahlen die
Weitere Kostenlose Bücher