Der Pakt
ihr mit einer matten Bewegung zu schweigen.
»Mein Plan ist hinfällig«, fuhr er dann fort. »Die Falle, die ich dem Hurenbalg gestellt habe, erwies sich als Bumerang.« Er lächelte, und die Art, wie er es tat, machte Nona schaudern, denn dieses Lächeln ließ Landru für einen flüchtigen Moment beinahe menschlich wir -ken. »Ich habe Lilith Eden unterschätzt.«
»Verdammt!« fuhr Nona auf, und ihr Zorn schien den Vampir wie eine Woge zu treffen. »Reiß dich zusammen! Es muß nicht zu spät sein!« Ruckartig streckte sie den Arm vor und wies in die Runde, meinte ganz Mayab mit ihrer Geste. »Diese Welt gehört dir, Landru. Du bist mehr als ihr König - du bist ihr Gott! Du hast die Macht zu verhindern, was immer hier geschieht - du mußt sie nur nutzen. Also - tu es. Tu es endlich, verflucht, ehe es wirklich zu spät ist!«
Landrus Züge verhärteten sich, und einen Augenblick lang fürchtete Nona, sie könnte zu weit gegangen sein. Dann aber fand sie zumindest einen Anflug des altvertrauten Ausdrucks von Stärke und jener Überlegenheit, die an Arroganz grenzte, in der Miene ihres Geliebten, und ein kleines Lächeln stahl sich um ihre Lippen; eine Bewegung, die sich wie spiegelverkehrt auf Landrus Mimik übertrug, denn seine Mundwinkel verzogen sich nach unten und komplettierten endlich das Bild, das Nona seit 500 Jahren kannte.
»Vielleicht hast du recht«, sagte er knapp. Sein Blick strich wie eisiger Wind übers Land, und für einen zeitlosen Moment schien, was davon ausging, bedrohlicher als das, was über ihnen am Himmelsgewölbe geschah.
»Dann solltest du dir Gewißheit verschaffen«, schürte die Wölfin weiter.
»Das werde ich.«
Ohne jedes weitere Wort wandte Landru sich um und stieg die Stufen zu dem kleinen Tempel hinauf, der exakt im Mittelpunkt Mayabs lag. Die Wächter zu beiden Seiten des Eingangs duckten sich wie verängstigte Lämmer - ohnehin schon, weil ihnen das Himmelsschauspiel Angst einflößte, und nun überdies noch unter Landrus Aura, die ihnen entgegenbrandete.
Wie von Geisterhand bewegt öffnete sich das zweiflüglige Tor vor ihm, so heftig, daß die Hälften drinnen dröhnend gegen die Wände krachten.
Nona eilte dem Geliebten nach.
Sie fand ihn vor jenem wahnsinnweckenden Strudel aus rotierender Schwärze, der nur scheinbar vom Boden bis zur Decke reichte, tatsächlich jedoch weiter in Tiefe und Höhe ragte.
Die Wölfin ertrug den Anblick kaum, wandte die Augen ab von dem Weltenpfeiler, jener Säule, die das Gewölbe Mayabs stützte und mithin das wirkliche Zentrum, der wahre Dreh- und Angelpunkt dieser Welt in der Welt war.
Als sie es endlich wieder wagte, hinzusehen, nach Landru zu schauen - - war der Vampir verschwunden.
Als habe ihn das wirbelnde Gebilde, dieses unheimliche Ding, für das kein Wort wirklich genügte, es zu beschreiben, verschlungen ...
*
Kurz zuvor...
... kniete Lilith Eden schweratmend auf dem steingefliesten Boden einer Nebenkammer desselben Tempels. Auf die Hände gestützt, den Kopf vornüber hängend, das Gesicht verborgen hinter zerzauster schwarzer Mähne, erinnerte ihre Haltung an die eines erschöpften Raubtiers.
Und ganz ähnlich fühlte sich Lilith auch.
Wie ein Tier hatte sie eben noch gewütet. Bis ihre Kräfte versagt hatten.
Ihre Kräfte ...?
Lilith war sich dessen nicht völlig sicher. Rückblickend kam es ihr vor, als wäre fremde Kraft wie aus dem Nichts über sie gekommen. Und als habe ihr Körper sich dieser Kraft so rasch wie irgend möglich entledigen wollen, hatte er sie in einem berserkerhaften Toben verbraucht, binnen weniger Sekunden.
Jetzt, da sie diese Sekunden in Gedanken rekonstruierte, schien es Lilith kaum vorstellbar, daß wirklich sie es gewesen sein sollte, die in einen solchen Rausch sinnloser Zerstörungswut verfallen war.
Doch sie mußte nur den Blick wenden, um den Beweis dafür zu sehen, daß es sich weder um einen Traum noch um Illusion gehandelt hatte.
Dort drüben, kaum drei Schritte von ihr entfernt, lag das Buch -die CHRONIK, wie Landru es genannt hatte -, zerrissen von ihr, und im weiten Umkreis sah sie Fetzen, die zuvor einzelne Seiten dieser ominösen CHRONIK gewesen waren.
Landru hatte sie mitgebracht, von woher auch immer, und Lilith mittels Magie gezwungen, ihm daraus vorzulesen, weil sie die Einzige war, die das darin Geschriebene zu entziffern verstand. Weshalb dem so war, wußte Lilith selbst nicht zu sagen.
Jedenfalls hatte sie es unter dem Zwang eines flirrenden, magischen Dolches,
Weitere Kostenlose Bücher