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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Mondlicht konnte ich sehen, dass seine Augen schwärzer waren, als ich sie in Erinnerung hatte, so dass Pupillen und Iris wie eine einzige dunkle Masse wirkten.
    »Warum ich?«, fragte ich. »Was habe ich getan?«
    »Es geht nicht darum, was du getan hast, sondern darum, was du tun könntest.«
    »Und was ist das? Woher willst du wissen, was noch kommen wird?«
    »Wir haben die Gefahr gespürt, die du darstellst. Er hat sie gespürt.«
    »Wer? Wer hat dich geschickt?«
    Maser schüttelte den Kopf. »Schluss jetzt«, sagte er und fügte fast zärtlich hinzu: »Hör auf davonzulaufen. Mach die Augen zu, dann bereite ich deinem Leid ein Ende.«
    Ich versuchte zu lachen. »Ich bin tief berührt.« Ich brauchte Zeit. Wir alle brauchten Zeit. »Du warst geduldig«, sagte ich. »Wie lange hast du mit mir gearbeitet? Fünf Monate?«
    »Ich habe gewartet«, sagte er.
    »Auf was?«
    Er lächelte, und seine Miene veränderte sich. Er strahlte regelrecht.
    »Auf sie.«
    Ich drehte mich langsam um, als ich einen Luftzug an meinem Rücken spürte. In der jetzt weit offenen Tür stand die dunkelhaarige Frau aus der Bar. Wie bei Gary schienen auch ihre Augen jetzt völlig schwarz zu sein. Auch sie hatte eine Schusswaffe in der Hand, eine 22er. Die Schatten, die sich um sie bildeten, wirkten wie schwarze Schwingen vor der dunklen Nacht.
    »So lange«, wisperte sie, aber ihre Augen waren auf den Mann gerichtet, der ihr gegenüberstand, nicht auf mich. »So furchtbar lange …«
    Da wurde mir klar, dass jeder für sich zu diesem Haus gekommen war, von mir wie auch von der Verheißung angelockt, einander wiederzusehen, aber jetzt begegneten sie sich zum ersten Mal, zum ersten Mal, wenn man Epstein glauben konnte, seit mein Vater auf einem Stück Brachland in Pearl River auf sie geschossen hatte.
    Aber mit einem Mal löste sich die Frau aus ihrer Verzückung und wirbelte herum. Die Knarre knallte zweimal, als sie in die Dunkelheit feuerte. Maser fuhr zusammen und schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte, und mir wurde klar, dass er mich langsam sterben lassen wollte. Er wollte mich mit seiner Klinge traktieren. Aber als ich mich bewegte, feuerte er seine Knarre ab, und ich spürte den heftigen Aufprall, als mich die Kugel an der Brust traf. Ich torkelte zurück und stieß gegen die Tür, die der Frau in den Rücken schlug, aber nicht zufiel. Eine zweite Kugel traf mich, und diesmal spürte ich einen sengenden Schmerz am Hals. Ich legte die linke Hand auf die Wunde, und das Blut quoll mir zwischen den Fingern hindurch.
    Ich taumelte die Treppe hinauf, aber Maser achtete nicht mehr auf mich. Hinter dem Haus ertönten Stimmen, und er kümmerte sich um die neue Gefahr. Ich hörte, wie die Haustür zugeknallt wurde und die Frau irgendetwas schrie, als ich das obere Ende der Treppe erreichte und mich flach auf den Boden warf. Weitere Schüsse fielen, und Kugeln pfiffen durch die staubige Luft über meinen Kopf hinweg. Vor meinen Augen verschwamm alles, und als ich jetzt dalag, stellte ich fest, dass ich nicht mehr aufstehen konnte. Ich kroch über den Boden, benutzte die rechte Hand wie eine Klaue, schob mich mit den Füßen voran und versuchte mit der linken immer noch, die Blutung an meinem Hals zu stillen. Ich driftete zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, so dass ich mich zeitweise einen mit Teppichboden belegten Flur entlang durch saubere, hell erleuchtete Zimmer bewegte und ein andermal nur blanke Dielen, Staub und Verfall sah.
    Schritte kamen die Treppe herauf. Ich hörte unten in der Küche Schüsse fallen, aber niemand erwiderte das Feuer. Es war, als schieße Maser auf Schatten.
    Ich schleppte mich ins Schlafzimmer und schaffte es, mich mit den Füßen an der Wand abzustützen, dann stolperte ich durch den Geist eines Bettes und sank in einer Ecke zusammen.
    Bett. Kein Bett.
    Ein Geräusch, als ob Wasser aus einem Hahn tropft. Kein Geräusch.
    Die Frau tauchte unter der Tür auf. In dem Lichtschein, der durch das Fenster hinter mir fiel, war ihr Gesicht deutlich zu sehen. Sie wirkte beunruhigt.
    »Was machst du?«, fragte sie.
    Ich versuchte zu antworten, konnte es aber nicht.
    Bett. Kein Bett. Wasser. Schritte, aber die Frau hat sich nicht bewegt.
    Sie blickte sich um, und ich wusste, dass sie das Gleiche sah wie ich: Welten auf Welten.
    »Das rettet dich nicht«, sagte sie. »Nichts kann das.«
    Sie kam näher. Dabei warf sie das leere Magazin aus und wollte ein neues einschieben, dann hielt sie inne. Sie

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