Der Pakt der Liebenden
anderen Hand vorbei. Sie wirkte fix und fertig, was ungewöhnlich war, aber dann fiel mir auf, dass das auch für alle anderen galt, die an diesem Abend arbeiteten.
»Gary Maser hat mir vierundzwanzig Stunden vorher Bescheid gesagt, dann hat er aufgehört«, sagte Dave, der einen Brandy Alexander mixte und gleichzeitig drei halbe Bier zapfte. »Schade. Ich mochte ihn. Ich dachte, er bleibt vielleicht. Irgendeine Ahnung, was vorgefallen ist?«
»Nein«, sagte ich.
»Tja, du hast ihn eingestellt.«
»Mein Fehler.«
»Was soll’s. Es ist ja niemand gestorben.« Er deutete auf den Verband an meinem Hals. »Auch wenn es so aussieht, als hätte es der Fall sein können. Ich nehme an, ich sollte lieber nicht fragen.«
»Fragen kannst du, aber ich müsste dich anlügen.«
Einer der Zapfhähne fing an zu spucken und lieferte nur noch Schaum.
»Verdammt noch mal«, sagte Dave. Er schaute mich an. »Tust du einem alten Freund einen Gefallen?«
»Bin schon dabei«, sagte ich. Ich ging nach hinten und tauschte das Fass aus. Während ich dort war, wurden zwei weitere leer, folglich tauschte ich auch die aus. Als ich zurückkam, kümmerte sich Dave um die Servicebar, wo die Bestellungen aus dem Restaurant entgegengenommen wurden, und dort warteten mindestens zehn Leute auf ihre Getränke, aber es gab nur einen Barkeeper, der sie bedienen konnte.
Deshalb schlüpfte ich einen weiteren Abend in meine alte Rolle. Es machte mir nichts aus. Ich wusste, dass ich wieder zu dem zurückkehren würde, was ich am besten konnte, daher genoss ich es, ein letztes Mal für Dave zu arbeiten, und hatte rasch wieder die alten Handgriffe drauf. Gäste kamen, und ich erinnerte mich anhand ihrer Bestellungen an sie, auch wenn ich mich nicht mehr an ihre Namen entsinnen konnte: Tanqueray-Typ, Margarita-Mädchen, fünf Jungs über dreißig, die jeden Freitag kamen und immer die gleichen fünf Biere bestellten, ohne auch nur einmal etwas von den exotischeren Brauereien auszuprobieren, so dass ihr Auftauchen immer als Angriff der leichten Coors-Brigade bezeichnet wurde. Die Gebrüder Fulci rückten mit Jackie Garner im Schlepptau an, und Dave tat so, als freue er sich, sie zu sehen. Er stand in ihrer Schuld, weil sie nach Mickey Wallaces Tod die Reporter von der Bar ferngehalten hatten, auch wenn er den Verdacht hatte, dass sie durch ihre Anwesenheit auch die Stammkunden vergrault hatten. Jetzt jedoch saßen sie in einer Ecke, aßen Burger und kippten sich Belfast Bay Lobster Red hinter die Binde, als müssten sie am nächsten Tag wieder ins Gefängnis, was für die Fulcis nichts Neues wäre.
Und so verging der Abend.
Eddie Grace wachte auf, als in seinem dunklen Schlafzimmer ein Streichholz angerissen wurde. Die Drogen hatten den Schmerz etwas gedämpft, aber auch seine Sinne abgestumpft, so dass er einen Moment lang nicht wusste, wie spät es war und weshalb er aufgewacht war. Er meinte, er hätte das Geräusch nur geträumt. Schließlich rauchte niemand im Haus.
Dann leuchtete eine Zigarette rot auf, und in dem Sessel links von ihm bewegte sich jemand. Er sah kurz das Gesicht eines Mannes. Er wirkte schmal und ungesund, hatte die Haare glatt nach hinten gekämmt, und seine Fingernägel waren lang und vom Nikotin gelblich verfärbt. Selbst in seinem stinkenden Krankenbett konnte Eddie den muffigen Geruch wahrnehmen, der von ihm ausging.
»Was wollen Sie hier?«, sagte Eddie. »Wer sind Sie?«
Der Mann beugte sich vor. Er hatte eine alte, an einer silbernen Kette hängende Polizistenpfeife in der Hand. Sie hatte Eddies Vater gehört und war ihm vermacht worden, als der alte Herr in den Ruhestand ging.
»Die gefällt mir«, sagte der Fremde und ließ die Pfeife baumeln. »Ich glaube, die füge ich meiner Sammlung hinzu.«
Eddies rechte Hand tastete nach dem Alarmknopf, mit dem er Amanda rufen konnte. In ihrem Schlafzimmer würde es klingeln, worauf sie oder Mike kommen würden. Er drückte die Finger auf den Knopf, hörte aber nichts.
»Ich habe mir die Mühe gemacht, ihn abzuklemmen«, sagte der Mann. »Du brauchst ihn nicht mehr.«
»Ich habe gefragt, was Sie hier wollen«, krächzte Eddie. Er hatte jetzt Angst. Angesichts dieses Mannes war das die einzig richtige Reaktion. Alles an ihm war falsch. Alles.
»Ich bin hier, um dich für deine Sünden zu bestrafen.«
»Für meine Sünden?«
»Dafür, dass du deinen Freund verraten hast. Dass du seinen Sohn in Gefahr gebracht hast. Für den Tod von Caroline Carr. Für die Mädchen, denen
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