Der Pakt der Liebenden
unter Druck zu setzen und vielleicht noch mal bei Eddie Grace vorbeizuschauen. Das konnte ich nicht, wenn ich ständig zwischen Portland und New York hin und her fliegen musste und darauf angewiesen war, dass ich sonntags frei hatte.
Und noch etwas anderes hatte sich ergeben. Walter Cole konnte nichts Neues über die Untersuchung im Zusammenhang mit den tödlichen Schüsse in Pearl River finden, aber er war auf etwas Merkwürdiges gestoßen.
»Die Berichte sind zu sauber«, erklärte er mir am Telefon. »Die ganze Sache war eine einzige Schönfärberei. Ich habe mit jemandem im Archiv gesprochen. Er hat gesagt, die Akte ist so dünn, dass sie von der Seite praktisch unsichtbar ist.«
»Das wundert mich nicht. Man hat alles unterdrückt. Niemand hätte was davon gehabt, wenn man irgendwas anderes gemacht hätte.«
»Yeah, na ja, ich bin trotzdem der Meinung, dass mehr dahintersteckt. Die Akte wurde gesäubert. Hast du schon mal von Einheit Fünf gehört?«
»Sagt mir nichts.«
»Vor zehn Jahren wurden sämtliche Akten in Zusammenhang mit den tödlichen Schüssen in Pearl River unter Verschluss genommen. Jede Bitte um Auskünfte, die über das hinausgehen, was im offiziellen Bericht steht, muss von Einheit Fünf abgesegnet werden, was wiederum heißt, dass man sich an den Polizeipräsidenten wenden muss. Meinem Ansprechpartner war schon unwohl zumute, weil er überhaupt darüber geredet hat, aber jeder, der Genaueres darüber wissen will, was in Pearl River vorgefallen war, muss eine Anfrage an Einheit Fünf richten.«
Aber Walter war noch nicht fertig.
»Weißt du, was noch in die Zuständigkeit von Einheit Fünf fällt? Der Tod von Susan und Jennifer Parker.«
»Und was ist Einheit Fünf?«, fragte ich.
»Ich glaube, du bist das«, sagte Walter.
Ich traf mich mit Dave im Arabica an der Free, Ecke Cross Street, in dem es nicht nur den besten Kaffe in der ganzen Stadt gab, sondern in dem man auch wunderbar sitzen, die Kunst an den Wänden bewundern und das Licht genießen konnte, das durch die großen Panoramafenster fiel.
Dave war nicht gerade begeistert, als ich ihn bat, mir ein paar Tage freizugeben, und ich konnte es ihm nicht verübeln. Er verlor gerade zwei Mitarbeiter, eine Bedienung, die in Mutterschaftsurlaub ging, und einen Kellner, der zu seiner Freundin nach Kalifornien zog. Ich wusste, dass er das Gefühl habe, er arbeite zu viel an der Bar und könne sich zu wenig um Büroarbeit und Buchhaltung kümmern. Ich war eingestellt worden, um ihn zu entlasten, aber stattdessen ließ ich ihn noch tiefer in der Tinte sitzen.
»Ich versuche hier ein Lokal zu betreiben, Charlie«, sagte Dave. »Du bringst mich um.«
»So viel ist doch gar nicht los, Dave«, erwiderte ich. »Gary kann sich diese Woche um die Lieferung von Nappi kümmern, und bis nächste Woche bin ich wieder da. Von der einen oder anderen Kleinbrauerei haben wir sowieso zu viel auf Lager, folglich können wir die etwas runterfahren.«
»Was ist mit morgen Abend?«
»Nadine hat um zusätzliche Schichten gebeten. Lass sie doch einen Teil von meinen Stunden übernehmen.«
Dave vergrub das Gesicht in den Händen.
»Ich hasse dich«, sagte er.
»Nein, tust du nicht.«
»Doch, tu ich. Nimm dir deine freie Woche. Falls ich noch da bin, wenn du zurückkommst, schuldest du mir was. Du bist mir einen großen Gefallen schuldig.«
Dieser Abend trug nicht gerade dazu bei, Daves Stimmung zu bessern. Jemand versuchte den Bärenkopf aus dem Speiseraum zu stehlen, und wir bemerkten erst, dass er fehlte, als der Dieb gerade vom Parkplatz fahren wollte und der Kopf aus dem Beifahrerfenster ragte. Wir wurden von Cocktailfreaks überfallen, so dass selbst Gary, der sich mit Cocktails besser auskannte als die meisten anderen, den Spickzettel zu Rate ziehen musste, der hinter der Bar aufbewahrt wurde. Studenten bestellten rundenweise Cherrybombs und Jägerbombs, so dass der ekelhafte Geruch von Red Bull in der Luft hing. Wir tauschten fünfzehn Fässer aus, dreimal so viele wie an einem durchschnittlichen Abend, wenn auch noch ein ganzes Stück von den zweiundzwanzig entfernt, die unser Rekord waren.
Und es lag Sex in der Luft. Am der anderen Ende der Bar saß eine Frau um die fünfzig, die auch nicht gieriger hätte aussehen können, wenn sie Klauen und spitze Zähne gehabt hätte, und bald darauf stießen zwei, drei andere dazu und bildeten ein Rudel. Die Barkeeper nannten sie »die Seidigen«, nach einer halb legendären Zahnpflegemittelvertreterin,
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