Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
Vom Netzwerk:
die angeblich im Laufe einer Nacht eine ganze Reihe von Männern auf dem Parkplatz bedient hatte. Schließlich lockten sie zwei International Players of the World an, Machotypen, deren Aftershave sich einen heißen Kampf mit dem Red-Bull-Geruch lieferte. Irgendwann überlegte ich, ob ich einen Schlauch auf sie richten sollte, um sie abzukühlen, aber bevor es dazu kam, verzogen sie sich in einen dunkleren Winkel der Stadt.
    Um ein Uhr morgens waren sämtliche Mitarbeiter erschöpft, aber noch wollte niemand heimgehen. Nachdem die Biertürme ­abgeräumt und die Kühlschränke frisch bestückt waren, machten wir uns ein paar Burger und Pommes, und die meisten Leute gönnten sich zur Entspannung einen Drink. Wir schalteten die Satellitenanlage aus, die die Bar mit Musik versorgte, und spielten etwas ruhigere Klänge aus dem iPod: Sun Kil Moon, Fleet Foxes, die Wiederveröffentlichung von Dennis Wilsons Pacific Ocean Blue . Zu guter Letzt zogen die Leute ab, worauf Dave und ich nachschauten, ob in der Küche alles aus war, die Kerzen löschten, die Toiletten kontrollierten, um sicherzugehen, dass niemand drin war, dann das Geld im Safe verstauten und abschlossen. Auf dem Parkplatz verabschiedeten wir uns voneinander, und bevor wir getrennter Wege gingen, erklärte mir Dave noch einmal, dass er mich hasste.
    Als ich meine Haustür öffnete, hielt ich auf der Schwelle inne und lauschte. Die Begegnung mit Mickey Wallace und seine Geschichte über die beiden Gestalten, die er gesehen hatte, hatten mich beunruhigt. Ich hatte die Geister gehen lassen. Sie gehörten nicht mehr hierher. Doch wie vorher schon, als ich durchs Haus gegangen war, nachdem Wallace weg war, nahm ich nichts wahr, das mir Angst machte oder unangenehm war. Stattdessen war im Haus alles ruhig, und ich spürte seine Leere. Wenn irgendetwas hiergewesen sein sollte, war es jetzt weg.
    Das Lämpchen an meinem Anrufbeantworter blinkte. Ich drückte auf die Abspieltaste und hörte Jimmy Gallaghers Stimme. Er klang leicht angetrunken, aber die Nachricht war klar und deutlich, und sie kam gerade zur richtigen Zeit.
    »Charlie, komm runter«, sagte Jimmy. »Ich erzähle dir alles, was du wissen willst.«

Vierter Teil
    Drei können ein Geheimnis wahren,
wenn zwei von ihnen tot sind.
    Benjamin Franklin (1706–1790),
Poor Richard’s Almanack

19
    Jimmy Gallagher musste nach mir Ausschau gehalten haben, denn er öffnete die Tür, noch bevor ich anklopfte. Ich stellte ihn mir einen Moment lang vor, wie er am Fenster saß, in dem sich in der anbrechenden Dunkelheit sein Gesicht spiegelte, mit den Fingern auf das Fensterbrett trommelte und gespannt die Straße absuchte, doch als ich ihm in die Augen schaute, sah ich dort weder Anspannung noch Angst oder Sorge. Im Grunde genommen wirkte er ­gelöster, als ich ihn je gesehen hatte. Er trug ein T-Shirt, eine Kapuzenjacke mit Yankees-Aufdruck, eine braune Hose mit Farb­flecken und ein Paar alte Slipper. Er sah aus wie ein Mann, der mit Mitte zwanzig eingenickt ist, beim Aufwachen feststellt, dass er mit einem Mal vierzig Jahre älter geworden ist, und immer noch die gleiche Kleidung tragen muss. Ich hatte ihn immer für einen Mann gehalten, der größten Wert auf sein Äußeres legt, denn ich konnte mich nicht entsinnen, ihn jemals ohne Jackett und ein sauberes, gestärktes Hemd gesehen zu haben, manchmal sogar mit einem geschmackvollen Seidenschlips. Jetzt war alles Förmliche von ihm abgefallen, und als ich im Laufe des Abends all die Geheimnisse hörte, die aus ihm sprudelten, fragte ich mich, ob diese strenge Kleiderordnung nicht ein Teil der Abwehrmaßnahmen war, die er nicht nur aufgebaut hatte, um sich und seine eigene Identität zu schützen, sondern auch das Andenken an diejenigen und das Leben derer, die ihm am Herzen lagen.
    Er sagte nichts, als er mich sah. Er öffnete nur die Tür, nickte einmal, drehte sich um und ging in die Küche. Ich schloss die Tür hinter mir und folgte ihm. Zwei Kerzen brannten in der Küche, eine auf dem Fensterbrett, die andere auf dem Tisch. Neben der zweiten Kerze standen eine Flaschen guten – vielleicht sogar sehr guten – Rotweins, eine Karaffe und zwei Gläser. Jimmy berührte beinahe zärtlich den Hals der Flasche und streichelte ihn, als wäre er ein geliebtes Haustier.
    »Ich habe auf einen Anlass gewartet, sie aufzumachen«, sagte er. »Aber heutzutage habe ich anscheinend nicht mehr allzu viele Gründe zum Feiern. Meistens geh ich zu Beerdigungen. Wenn man in mein

Weitere Kostenlose Bücher