Der Pakt der Liebenden
Neunten mach ten so etwas eh nicht. Cops zahlten für ihr Mittagessen, ihren Kaffee und ihre Donuts. Der Großteil aß mittags im Revier. Das war billiger, und außerdem gab es im Neunten ohnehin nicht viele Lokale, in denen man etwas essen konnte, jedenfalls nichts, was Cops mochten, von dem Schinken mit Cheddar und scharfem Senf im McSorley’s einmal abgesehen oder später im Jack the Ribbers drüben an der 3rd Street, obwohl man nach einem Mittagessen im Jack the Ribbers nichts Anstrengenderes mehr machen konnte, als sich den Rest des Tages stöhnend den Bauch zu reiben. Die Jungs vom Siebten hatten Glück, weil sie das Katz’s hatten, aber die Cops vom Neunten durften die Reviergrenzen nicht überschreiten, nur weil einen Block weiter die Fleischwurst besser war. So lief das beim NYPD nicht.
In der Nacht, in der das erste Baby zu Tode kam, war Jimmy in der ersten Hälfte der Tour als Protokollführer tätig. Der Protokollführer machte sämtliche Notizen, und der Fahrer übernahm das Steuer. Danach tauschten sie. Jimmy war der bessere Protokollführer. Er hatte scharfe Augen und ein gutes Gedächtnis. Will wiederum war etwas verwegener und damit der bessere Fahrer. Gemeinsam gaben sie ein gutes Gespann ab.
Sie wurden zu einer Party an der Avenue A gerufen, einem »10–50er«, nachdem sich Nachbarn über den Lärm beschwert hatten. Als sie zu dem Gebäude kamen, kotzte eine junge Frau in den Rinnstein, während ihr Freund ihr die Haare aus dem Gesicht hielt und den Rücken streichelte. Sie waren so bekifft, dass sie die Cops kaum eines Blickes würdigten.
Jimmy und Will hörten die Musik, die aus dem obersten Stockwerk des Hauses drang, das keinen Aufzug hatte. Selbstverständlich hatten sie die Hände am Griff ihrer Dienstwaffen liegen. Man konnte nie wissen, ob es eine ganz normale Party war, die ein bisschen aus dem Ruder gelaufen war, oder etwas Ernsteres. Jimmy spürte wie immer in so einer Situation, wie sein Mund trocken wurde und sein Herz einen Takt schneller schlug. Vor einer Woche war ein Typ bei einer Party, die genauso angefangen hatte wie die hier, vom Dach eines Mietshauses geflogen. Er hätte fast einen der Cops umgebracht, die gerade eingetroffen waren, um der Sache nachzugehen, als er nur wenige Zentimeter vor ihnen aufschlug und sie mit Blut bespritzte. Wie sich herausstellte, hatte er ein paar Typen abgezogen, deren Namen mit einem Vokal endeten, Italiener, die ihren Geschäftssinn in den neuerdings wieder auflebenden Heroinmarkt einbringen wollten, der seit den zwanziger Jahren weitestgehend eingeschlafen war, wobei den Italienern nicht klar war, dass sich ihre Zeit dem Ende zuneigte und ihnen ihre Vorherrschaft schon bald von den Schwarzen und Kolumbianern streitig gemacht werden würde.
Die Wohnungstür war offen, und aus einer Stereoanlage dröhnte Musik, Mick Jagger, der über ein Mädchen sang. Sie sahen einen schmalen Flur, der in einen Wohnbereich führte, und die Luft stank nach Tabak, Alkohol und Gras. Die beiden Polizisten wechselten einen kurzen Blick.
»Sag an«, sagte Will.
Jimmy übernahm die Führung, als sie in den Flur traten. » NYPD «, rief er. »Alle ruhig bleiben, und keine Bewegung.«
Vorsichtig spähte Jimmy, gefolgt von Will, ins Wohnzimmer. Acht Personen, alle mehr oder weniger angetrunken oder von Drogen benebelt. Die meisten saßen oder lagen am Boden. Einige schliefen. Eine junge Weiße mit lila Strähnchen in den blonden Haaren lag auf der Couch unter dem Fenster und hatte eine Zigarette in der Hand. »Oh Scheiße«, sagte sie, als sie die Cops sah, und wollte aufstehen.
»Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte Jimmy und bedeutete ihr mit der linken Hand, dass sie auf dem Sofa bleiben sollte. Jetzt wachten ein, zwei Partygänger auf, sahen, dass sie Ärger bekommen könnten, und wirkten verängstigt. Während Jimmy die Leute in dem Zimmer im Auge behielt, sah sich Will im Rest der Wohnung um. Er kam in ein kleines Schlafzimmer mit zwei Betten, das eine ein leeres Kinderbettchen, auf dem anderen ein Haufen Mäntel. Er stieß auf einen jungen, etwa neunzehn- bis zwanzigjährigen Mann, der im Badezimmer kniete, kaum bei Sinnen war und vergeblich versuchte, eine Unze Marihuana im Klo runterzuspülen, dessen Wasserkasten kaputt war. Als er ihn filzte, fand Will in einer der Jeanstaschen des Jungen drei Tütchen Heroin.
»Was bist du denn für ein Idiot?«, fragte Will.
»Hä?«, sagte der Junge.
»Du hast Heroin, aber du spülst das Marihuana runter? Gehst du
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